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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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Angreifer entwaffnete. Großartig, dachte Jess jetzt. Etwas, worauf man sich freuen konnte.
    Sie sah ihn, sobald sie um die Ecke in die Orchard Street einbog. Er kam die Treppe vor ihrem Haus herunter, den Kragen seiner Bomberjacke gegen die Kälte aufgestellt. Sie blieb stehen, unsicher, ob sie weitergehen oder auf dem Absatz kehrtmachen und so schnell sie konnte in der anderen Richtung davonlaufen sollte. Die Gefahr erkennen und sich ihr entziehen, das war erstes Gebot, so hatte man sie gelehrt. Davonlaufen war für Frauen meist das probateste Mittel.
    Sie lief nicht davon. Sie blieb einfach stehen, und wartete, bis er sie sah; blieb auch noch stehen, während er auf sie zuging, die Arme nach ihr ausstreckte und sie an sich zog.
    »Wir müssen miteinander sprechen«, sagte Adam.
»Ich bin in Springfield aufgewachsen.« Er beugte sich über den kleinen Tisch in dem italienischen Restaurant, in dem sie an ihrem ersten gemeinsamen Abend gewesen waren. Es war noch früh. Das Restaurant war fast leer.
    Carla stand in der Nähe, aber sie kam nicht an ihren Tisch, als verstünde sie, daß gewisse Dinge geklärt werden mußten, ehe man überhaupt an Essen denken konnte. »Ich glaube, ich habe dir schon erzählt, daß ich ein Einzelkind war«, fuhr Adam fort. »Meine Familie ist ziemlich wohlhabend. Mein Vater ist Psychoanalytiker«, sagte er und lachte leise, »du warst also gar nicht weit von der Wahrheit entfernt, als du mich gefragt hast, wann ich von der Psychologie auf das Schuheverkaufen umgestiegen sei. Manches vererbt sich wahrscheinlich einfach.
    Meine Mutter ist Werbeberaterin. Sie hat ihr eigenes Büro bei uns im Haus. Das Geschäft läuft gut. Ich muß dazu sagen, daß das Haus sehr groß ist, voller Antiquitäten und moderner Gemälde. Von klein auf gab es für mich immer nur das Beste. Ich lernte, immer nur das Beste erwarten. Ich glaubte, ich hätte ein Recht auf das Beste.«
    Er hielt inne. Jess sah ihn an und wartete, während er die Hände auf dem Tisch faltete.
    »Mir ist eigentlich immer alles zugefallen, ob das nun die guten Noten oder die Mädchen waren. Alles, was ich haben wollte, bekam ich. Und lange Zeit wollte ich ein Mädchen namens Susan Cunningham haben. Sie war hübsch und beliebt und genauso verwöhnt wie ich. Ihr Vater ist H. R. Cunningham, falls du dich im Baugeschäft auskennst.«
    Jess schüttelte nur den Kopf; sie konzentrierte sich auf seinen Mund, wenn er sprach.
    »Wie dem auch sei, ich wollte sie haben, und ich bekam sie. Ich heiratete sie. Ich brauche wohl angesichts der Tatsache, daß wir jetzt geschieden sind, nicht zu sagen, daß die Ehe nicht glücklich war. Wir hatten überhaupt nichts gemeinsam, außer daß wir beide mit
Vorliebe in den Spiegel sahen. Was soll ich sagen? Wir waren zwei sehr egozentrische Menschen, die sich einbildeten, alles, was sie taten und sagten, verdiene Applaus. Wenn wir den nicht bekamen, schmollten wir und stritten und machten einander das Leben ganz allgemein zur Hölle.
    Das einzige, was wir gut gemacht haben, war Beth.«
    Jess sah ihn fragend an, aber Adam wich ihrem Blick aus. »Beth?«
    »Unsere Tochter.«
    »Du hast eine Tochter? Du hast doch gesagt -«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe. Es war nicht die Wahrheit.«
    »Sprich weiter«, sagte Jess leise.
    »Beth kam ein paar Jahre nach unserer Heirat zur Welt. Sie war so wunderbar, du kannst es dir nicht vorstellen. So schön und so zart, daß man beinahe Angst hatte, sie anzufassen. Hier«, sagte er und zog mit zitternden Händen seine Brieftasche heraus. Er entnahm ihr ein kleines Farbfoto eines lachenden blonden kleinen Mädchens in einem weißen Kleid, das oben mit roten Rüschen besetzt war.
    »Sie ist entzückend«, stimmte Jess zu und legte ihre Hand auf seine, um ihn zu beruhigen.
    »Sie ist tot«, sagte Adam. Er legte das Foto wieder in seine Brieftasche und schob diese wieder in die Gesäßtasche seiner Jeans.
    »Was? Ach Gott, wie schrecklich! Wie ist das denn passiert? Wann ist sie gestorben?«
    Adam sah Jess an, aber sein Blick war leer, und Jess wußte, daß er sie nicht sah. Als er wieder sprach, klang seine Stimme dumpf und fern, als spräche er von einem weit entfernten Ort zu ihr.
    »Sie war sechs Jahre alt. Unsere Ehe war so gut wie vorbei. Susan behauptete, ich sei mit meiner Arbeit verheiratet; ich behauptete, sie sei mit ihrer verheiratet. Wir warfen uns gegenseitig vor, nicht genug Zeit für unsere Tochter zu haben. Und darin hatten wir beide recht.
    Mein Vater sah, was

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