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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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vorging, und schlug eine Paartherapie vor. Wir versuchten das eine Weile, aber wir waren nicht mit dem Herzen
dabei. Susans Eltern entging natürlich auch nicht, was sich abspielte, aber sie versuchten auf andere Art zu helfen. Anstatt uns eine Therapie vorzuschlagen, schenkten sie uns eine Kreuzfahrt zu den Bahamas. Sie glaubten, wenn wir ein paar Wochen miteinander allein sein könnten und Zeit füreinander hätten, würde es uns vielleicht gelingen, unsere Differenzen zu klären. Sie boten uns an, sich in dieser Zeit um Beth zu kümmern. Wir waren einverstanden, warum auch nicht?
    Beth wollte nicht, daß wir wegfuhren. Kinder spüren es, wenn etwas nicht stimmt, und ich vermute, sie hatte Angst, wenn wir fortgingen, würde vielleicht einer von uns nicht zurückkehren. Ich weiß nicht.« Er starrte ins Leere und sagte sekundenlang gar nichts. »Sie wurde jedenfalls plötzlich sehr trotzig, bekam Wutanfälle, Bauchweh, lauter solche Dinge. An dem Morgen, an dem wir abreisten, klagte sie über einen steifen Hals. Wir achteten nicht besonders darauf. Sie hatte uns seit Tagen mit allen möglichen Beschwerden auf Trab gehalten. Wir glaubten, sie wollte auf diese Weise versuchen, uns zum Bleiben zu bewegen. Wir maßen Fieber, aber sie hatte keine Temperatur, und Susans Eltern versicherten uns, sie würden gut auf sie aufpassen und beim ersten Anzeichen einer echten Krankheit sofort mit ihr zum Arzt gehen. Wir reisten also ab.
    Am Abend bekam Beth etwas Fieber. Susans Eltern riefen den Hausarzt an, der ihnen riet, Beth zwei Tylenol für Kinder zu geben und am nächsten Tag mit ihr zu ihm in die Praxis zu kommen, wenn sich ihr Zustand nicht gebessert haben sollte. In der Nacht stieg das Fieber auf über vierzig Grad, und Beth war im Delirium. Mein Schwiegervater packte sie ins Auto und fuhr mit ihr ins Krankenhaus. Aber es war schon zu spät. Noch vor dem Morgen war sie tot.
    Meningitis«, sagte Adam auf Jess’ stumme Frage.
    »Mein Gott, wie furchtbar.«
    »Wir wurden auf dem Schiff benachrichtigt und kehrten nach Hause zurück. Aber es gab natürlich gar kein Zuhause mehr für uns.
Das einzige, was uns noch verbunden hatte, existierte nicht mehr. Wir versuchten es noch einmal mit einer Therapie, um unseren Verlust zu verarbeiten, aber wir waren so böse aufeinander, daß nichts dabei herauskam. Im Grunde wollten wir auch gar nicht, daß etwas dabei herauskam. Jeder von uns wollte nur dem anderen Vorwürfe machen. Wir wollten nur irgend jemandem die Schuld geben.
    Ich dachte daran, den Arzt zu verklagen, aber im Grunde konnten wir ihm nichts vorwerfen. Ich dachte sogar daran, meine Schwiegereltern zu verklagen. Statt dessen habe ich auf Scheidung geklagt. Und dann bin ich einfach geflohen. Ich habe meine Arbeit aufgegeben, mein Haus, alles, was mein damaliges Leben ausmachte. Es hatte nach dem Tod meines Kindes alles keinen Sinn mehr für mich. Ich bin weggegangen, wie ich schon sagte. Nach Chicago. Erst hab ich mir einen Job als Krawattenverkäufer gesucht. Dann entdeckte ich Damenschuhe, den Rest der Geschichte kennst du.«
    Er sah Jess an. »Ich habe eine Menge Frauen kennengelernt, aber ich bin jeder tieferen Beziehung ausgewichen. Ich habe geflirtet; ich habe herumgespielt, ich habe eine Menge Schuhe verkauft. Aber eine neue Beziehung kam für mich nicht in Frage. Nie im Leben. Von dieser Art Schmerzen hatte ich genug.
    Und dann kamst du in den Laden. Du hast dagestanden und dir mit dem spitzen Absatz dieses Schuhs so fest in die Hand geschlagen, daß einem angst werden konnte. Ich hab dir zugesehen, und ich hab dir in die Augen gesehen, und ich dachte, diese Frau ist innerlich genauso tief verletzt wie ich.«
    Jess sprangen die Tränen in die Augen, und sie wandte sich kurz ab.
    »Ich war entschlossen, dich nicht anzurufen«, fuhr er fort und zog mit seiner Stimme ihren Blick wieder auf sich. »Mich in anderer Leute Probleme verwickeln zu lassen, das war nun das letzte, was ich wollte, obwohl, wer weiß, vielleicht war es genau das, was ich wollte. Zumindest würde das mein Vater wahrscheinlich behaupten.
Vielleicht war die Zeit gerade reif, ich weiß es nicht. Aber als diese verdammten Stiefel hereinkamen, wußte ich, daß ich dich wiedersehen mußte. Darum hab ich bei dir angerufen. Aber ich hab mir dabei fest vorgenommen, es würde das erste und das letzte Mal sein. Ich war fest entschlossen, dich nicht wieder anzurufen.
    Aber immer wieder bin ich vor deiner Tür gelandet. Und die ganze letzte Woche habe ich

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