Schau Dich Nicht Um
etwas vergißt und sich immer revanchiert. Und dann bekam ich diesen Brief, und kurz danach telefonierte ich mit Barry, und er fragte mich, ob ich seinen Brief bekommen hätte...«
»Und da stand für dich fest, daß er der perverse Kerl ist, der dir diesen gemeinen Brief geschickt hat; daß ich einen Mann geheiratet habe -«
»Das hatte doch mit dir überhaupt nichts zu tun«, unterbrach Jess. »Maureen, hier geht es nicht um dich!«
»Nein?« entgegnete Maureen. »Wenn du meinen Mann angreifst, greifst du auch mich an.«
»Sei nicht albern«, widersprach Jess.
Die Zwillinge schrien lauter; Tyler riß sich von seiner Mutter los und rannte nach oben.
»Du hast ihm nie auch nur die kleinste Chance gegeben, vom Tag unserer Heirat an nicht«, schrie Maureen und fuchtelte mit beiden Armen wie wild in der Luft herum.
»Das ist nicht wahr«, konterte Jess. »Ich fand ihn ganz in Ordnung, bis er aus dir Donna Reed gemacht hat.«
»Donna Reed!« Maureen schnappte empört nach Luft.
»Wieso hast du das zugelassen?« Nun, da sie schon so weit gegangen war, sagte sich Jess, konnte sie auch bis zum Ende gehen. »Wie konntest du einfach alles aufgeben und dich von ihm zum Hausmütterchen machen lassen?«
»Wie wär’s, wenn ich die Zwillinge nach oben bringe?« erbot sich Sherry, nahm die beiden kleinen Mädchen aus ihren Wippen und trug sie nach oben.
»Kinder, wollen wir damit nicht aufhören, ehe wir Dinge sagen, die wir nachher bedauern müssen«, rief Art Koster und seufzte dann resigniert, als sähe er ein, daß es dazu bereits zu spät war.
»Was habe ich eigentlich deiner Meinung nach aufgegeben?« fragte Maureen. »Meine Stellung? Ich kann mir immer wieder eine andere Stellung suchen. Meine Ausbildung? Die nimmt mir niemand weg. Kannst du denn einfach nicht kapieren, daß ich genau das tue, was ich tun möchte? Daß es meine Entscheidung war und nicht Barrys, zu Hause zu bleiben und mich meinen Kindern zu widmen, solange sie klein sind. Ich respektiere doch deine Entscheidungen, Jess, auch wenn ich sie nicht immer verstehe. Kannst du nicht auch die meinen respektieren? Was ist denn so falsch an dem, was ich tue?«
»Was daran falsch ist?« hörte Jess sich sagen. »Ja, ist dir denn nicht klar, daß dein ganzes Leben nichts als eine einzige Zurückweisung all dessen ist, was unsere Mutter uns beigebracht hat?«
»Was?« Maureen war wie vom Donner gerührt.
»Lieber Himmel, Jess«, rief ihr Vater, »was redest du denn da?«
»Unsere Mutter hat uns zu selbständigen Frauen erzogen, die auf eigenen Füßen stehen können«, behauptete Jess. »Niemals hätte sie gewollt, daß Maureen in einer Ehe landet, in der ihr keinerlei Raum zur eigenen Entwicklung gegeben wird.«
Maureens Augen blitzten vor Zorn. »Wie kannst du es wagen, an mir herumzukritisieren! Wie kannst du es wagen, dir anzumaßen, über meine Ehe zu urteilen. Und wie kommst du dazu, unsere Mutter da hineinzuziehen? Du warst doch diejenige, nicht ich«, fuhr sie fort, »die sich genau über diese Fragen dauernd mit Mutter gestritten hat. Du wolltest doch unbedingt heiraten, als du noch auf dem College warst, obwohl Mutter dich immer wieder gebeten hat zu warten. Du hast die ganze Zeit mit ihr gestritten, du hast sie unglücklich gemacht, du hast sie zum Weinen gebracht. ›Warte doch wenigstens, bis du mit dem Studium fertig bist‹, hat sie immer wieder gesagt. ›Don ist ein netter Mann, aber er wird dir zu einer eigenen Entwicklung keinen Platz lassen. Warte, bis du mit dem Studium fertig bist‹, hat sie dich immer wieder gebeten. Aber du hast nicht auf sie gehört. Du hast schon damals alles besser gewußt, genau wie heute. Hör also endlich auf, deine eigenen Schuldgefühle damit zu kompensieren, daß du allen anderen sagst, wie sie ihr Leben zu führen haben.«
»Was soll das heißen, meine eigenen Schuldgefühle?« fragte Jess, beinahe atemlos vor Zorn.
»Du weißt genau, was ich meine.«
»Wovon, zum Teufel, redest du überhaupt?«
»Ich rede von der Auseinandersetzung, die du mit Mama an dem Tag hattest, an dem sie verschwunden ist!« schoß Maureen zurück. »Und ich weiß, was ich sage. Ich hab nämlich an dem Morgen von der Bibliothek aus zu Hause angerufen, ich nehme an, kurz nachdem du aus dem Haus gestürmt warst, und da hat sie geweint. Ich habe natürlich gefragt, was los sei, und sie wollte mir einreden, es sei
nichts. Aber am Ende hat sie zugegeben, daß ihr beide wieder mal einen schlimmen Krach gehabt hattet. Ich
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