Schau Dich Nicht Um
mich geschmeichelt.«
»Und ich glaube, ich habe großes Glück«, erwiderte er mit einem Blick zu Jess. »Ein bißchen bitter, hm?«
Jess sagte nichts. Sei nett, dachte sie. Bemüh dich zu lächeln. Sei höflich. Streite dich nicht herum.
»Und du magst das Prickeln«, sagte Art Koster und nahm Sherry Hasek in die Arme.
Jess dachte darüber nach, was ihre Mutter gesagt hätte. Weißwein vielleicht, weil er klar war, direkt und rein. Oder vielleicht Waldmeisterlimonade, weil sie süß war, hübsch aussah und etwas Nostalgisches hatte. Oder vielleicht sogar Milch, aus den gleichen Gründen, aus denen ihr Vater Bier bevorzugte.
»Erde an Jess«, sagte Barry schon wieder. »Jess, bitte kommen.« »Das erste Mal war’s witzig, Barry«, sagte Jess schärfer, als sie beabsichtigt hatte. »Jetzt ist es nur noch lästig.«
»Wie dein Verhalten. Ich versuche nur dahinterzukommen, ob du einfach mit deinen eigenen Gedanken beschäftigt bist oder ob du absichtlich unhöflich bist.«
»Barry...«, warnte Maureen.
»Weshalb sollte ich absichtlich unhöflich sein?« fragte Jess aufgebracht.
»Das mußt schon du mir sagen. Ich kann nicht behaupten, dich zu verstehen.«
»Ach ja?«
»Jess!« sagte Art Koster.
»Ich würde sagen, wir verstehen einander recht gut, Barry«, entgegnete Jess, die mit ihrer Geduld am Ende war. »Wir hassen uns gegenseitig wie die Pest. Das ist doch ziemlich klar, nicht wahr?«
Barry machte ein Gesicht, als hätte er gerade eine Ohrfeige bekommen. »Ich hasse dich nicht, Jess.«
»Ach nein? Und was ist mit diesem reizenden Brief, den du mir geschickt hast? Sollte das ein Zeichen deiner Zuneigung sein?«
»Ein Brief?« wiederholte Maureen. »Was für ein Brief?«
Jess biß sich auf die Zunge, bemühte sich, den Mund zu halten. Aber es war zu spät. Die Worte sprudelten ihr schon über die Lippen. »Dein Mann hat mir zum Zeichen seiner Hochachtung einen Brief geschickt, der mit Urin getränkt war und abgeschnittene Schamhaare enthielt.«
»Was? Was redest du da?« schienen alle zugleich zu fragen.
»Du bist wohl völlig übergeschnappt?« brüllte Barry sie an. »Was, zum Teufel, sagst du da?«
Ja, wirklich, was sage ich da? fragte sich Jess plötzlich, während die Zwillinge vom Geschrei rundherum erschrocken zu weinen anfingen. Glaubte sie allen Ernstes, daß Barry ihr diesen Brief geschickt haben konnte? »Willst du behaupten, daß du es nicht warst?«
»Ich behaupte, daß ich nicht die leiseste Ahnung habe, was, zum Teufel, du da redest.«
»Du fluchst schon wieder«, sagte Jess.
Barry prustete etwas Unverständliches.
»Ich habe letzten Monat einen anonymen Brief bekommen«, erklärte Jess. »Darin waren abgeschnittene Schamhaare und ein Blatt Papier, das mit Urin getränkt war. Als ich ein paar Tage später mit dir telefoniert habe, hast du mich gefragt, ob ich deinen Brief bekommen hätte. Oder willst du das abstreiten?«
»Natürlich streite ich das ab! Das einzige, was ich dir je mit der Post geschickt habe, war ein Prospekt über Lebensversicherungen.«
Jess erinnerte sich vage, einen Brief geöffnet, etwas von Lebensversicherungen gelesen und das ganze ohne einen weiteren Gedanken weggeworfen zu haben. Und das war der Brief, von dem er an jenem Tag am Telefon gesprochen hatte? »Das war der Brief, den du mir geschickt hattest?«
»Ich bin Steuerberater, Herrgott noch mal«, versetzte er. »Was sollte ich dir denn sonst schicken?«
Das ganze Zimmer begann sich plötzlich um Jess zu drehen. Was war nur los mit ihr? Wie hatte sie ihren Schwager einer solchen gemeinen Handlung beschuldigen können? Selbst wenn sie ihn dessen für fähig gehalten hätte, wie hatte sie es laut sagen können? In seinem eigenen Haus. An seinem Eßtisch. Vor seiner versammelten Familie.
Maureen weinte. »Ich kann einfach nicht glauben, daß du so etwas sagen kannst!« rief sie unter Tränen, ihren kleinen Sohn an sich gedrückt. »Ich kann nicht mal glauben, daß du so etwas auch nur denkst.«
»Es tut mir ja so leid«, sagte Jess hilflos. Tyler begann angesichts seiner in Tränen aufgelösten Mutter zu weinen, die Zwillinge schrien in ihren Wippen.
»Kinder, können wir denn nicht in Ruhe miteinander sprechen«, wandte sich Art Koster drängend an die Erwachsenen.
»Du weißt doch, daß Barry und ich diesen Riesenkrach gehabt hatten«, wandte sich Jess in dem Bemühen zu erklären an ihre, Schwester. »Ich wußte, wie wütend er auf mich war, und er hatte mir selbst gesagt, daß er nie
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