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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gewissenhaftigkeit ihre Kleidungsstücke nach Farben geordnet in den Schrank hängte, die die frisch gewaschenen Höschen sorgfältig unter die legte, die noch nicht getragen waren, die sich für alles, von wichtigen Terminen bis zum Fingernägelschneiden, Listen machte, auf denen sie dann gewissenhaft abhakte, was erledigt war. Wann hatte sie die Kontrolle über ihr Leben verloren?
    Sie ging zum Sofa zurück und blätterte ihre Post durch. Der aufdringliche Duft von Gregs Toilettenwasser hing immer noch über dem Sofa. Jess ging mit den Briefen zum Fenster, öffnete es ein wenig, um frische Luft hereinzulassen.
    Die Post bestand größtenteils aus Rechnungen. Ein paar Spendenaufrufe mehr als sonst, wie zu erwarten war um diese Jahreszeit. Das Werbeschreiben einer Lebensversicherung. Jess sah die Briefe in aller Eile durch, dann warf sie sie auf den Tisch und konzentrierte sich auf den einen schmutzigen weißen Umschlag, der noch geblieben war. Kein Absender. Ihr Name in ungelenken Druckbuchstaben geschrieben, wie von einem Kind. Vielleicht eine frühe Weihnachtskarte von ihrem Neffen, Tyler. Keine Briefmarke. Also vom Schreiber selbst eingeworfen oder durch Boten gebracht. Sie riß den Umschlag auf, entnahm ihm ein leeres, fleckiges Blatt Papier, drehte es in den Händen, hob es dann vorsichtig zu ihrer Nase.

    Der schale Geruch von Urin mischte sich mit dem Duft von Greg Olivers Toilettenwasser.
    Hastig schob Jess das Papier wieder in den Umschlag und ließ ihn fallen. Der Luftzug vom Fenster erfaßte ihn, drehte und führte ihn wie ein erfahrener Tänzer seine Partnerin, bis er auf dem Boden landete. Sie sah die kleinen schwarzen Partikel, die aus dem Umschlag rieselten, wie Asche von einer Zigarette, und auf den Holzdielen des Bodens beinahe unsichtbar wurden.
    Langsam kniete sie nieder und fegte die Teilchen, die wie kurze, drahtige schwarze Borsten aussahen, in ihre Hand. Haare, erkannte sie mit wachsendem Widerwillen. Schamhaare. Sie schüttete die Haare sofort wieder in den Umschlag.
    Schamhaare und Urin. Wirklich charmant.
    Draußen klopfte es.
    Sie stand auf und schloß das Fenster. Schamhaare, Urin und Greg Oliver. Was konnte eine Frau sich Schöneres wünschen?
    »Geh nach Hause, Greg«, rief sie scharf.
    »Muß ich auch nach Hause gehen, wenn ich Adam heiße?«
    Jess ließ den ekelhaften Brief auf den Eßtisch fallen. Sie war nicht sicher, daß sie richtig gehört hatte. »Adam?«
    »Ich sehe, Sie haben Ihre neuen Stiefel an«, sagte er, als sie ihm die Tür öffnete. »Haben Sie mich erwartet?«
    »Wie sind Sie reingekommen?« fragte Jess. Sie war ärgerlich und zugleich verlegen darüber, so froh zu sein, ihn zu sehen.
    »Unten war offen.«
    »Die Haustür war offen?«
    Er zuckte die Achseln. »Vielleicht hat Greg sie nicht richtig zugemacht, als er gegangen ist.« Er lehnte sich an den Türpfosten. »Holen Sie Ihren Mantel.«
    »Meinen Mantel?«
    »Ich dachte, wir könnten vielleicht ins Kino gehen und hinterher irgendwo was essen.«

    »Und wenn ich zu müde bin?«
    »Dann sagen Sie zu mir, geh nach Hause, Adam.«
    Jess sah Adam Stohn einen Moment lang nachdenklich an. Das braune Haar fiel ihm nachlässig in die Stirn, seine Haltung war beneidenswert selbstsicher, sein Gesicht unergründlich, wie das eines Verdächtigen bei einer polizeilichen Gegenüberstellung.
    »Ich hole meinen Mantel«, sagte sie.

14
    S ie sahen sich Casablanca an, obwohl sie beide den Film schon mehrere Male im Fernsehen gesehen hatten. Sie setzten sich ganz nach hinten und, auf Jess’ Wunsch, direkt an den Gang. Sie sprachen wenig auf der kurzen Fahrt zum Kino, gar nichts mehr, nachdem sie Platz genommen hatten, nur wenige Worte, als sie danach zu Fuß zu dem Restaurant gingen. Keine Berührungsversuche.
    Das Restaurant in der North Lincoln Avenue war klein, schummrig und laut. Sie setzten sich an einen kleinen Tisch für zwei ziemlich weit hinten, und erst nachdem sie bestellt hatten, unternahmen sie ein paar zaghafte Versuche, ein Gespräch in Gang zu bringen.
    »Ich hab irgendwo gelesen«, sagte Jess, »daß sie noch gar kein fertiges Drehbuch hatten, als sie anfingen, Casablanca zu drehen, und daß die Schauspieler nie genau wußten, wer sie eigentlich waren oder was sie gerade tun sollten. Ingrid Bergman mußte angeblich den Regisseur immer wieder fragen, in welchen Mann sie denn nun eigentlich verliebt sei.«
    Adam lachte. »Das ist schon allerhand.«
    Schweigen. Adams Blick wanderte durch das Lokal. Jess nahm ein

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