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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Nießen
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erotisierend ins Ohr. »Wo ist der Verletzte?«, fragte ich nun etwas eindringlicher. »Na gut, ist alles okay, es gibt keinen Verletzten. Hier war eben ne Truppe Chirurgen, die hatten so nen fahrbaren OP-Tisch, da lag einer drauf, der immer mit nem Plastikarm gewunken und Kunstblut verspritzt hat. Jetzt hab ich aber noch nen Kuss verdient, oder?« »Besser nicht. Frauen bringen in der christlichen Seefahrt nur Unglück.« Damit ließ ich sie stehen und schaute mich nach Leo um. »Komm jetzt, nix wie weg hier, wir sind verarscht worden. Falscher Alarm!«, rief ich Leo zu und deutete mit dem Arm in meine Richtung. Zu zweit kämpften wir uns durch die feiernde Menschenmenge und waren froh, als wir wieder in unserem Rettungswagen saßen. »Und für so nen Blödsinn hab ich mich fast zum Eunuchen gemacht?«, sagte Leo in fragendem Tonfall und schüttelte ungläubig den Kopf. Die Rückfahrt übernahm ich. Langsam, ja fast in Schrittgeschwindigkeit, steuerte ich einen Slalomkurs durch die Narren. Leo philosophierte derweil über die Oberflächlichkeit der Menschen: »Die wissen noch nicht mal, was der Ursprung ihrer Kostümparty ist.« Er ergoss sich über die Unwissenheit der Narren, die nicht einmal wüssten, wie der Rosenmontag berechnet wird: »Der erste Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, da ist Ostern, und dann die Fastenzeit zurückrechnen, jawohl!«, und gerade als er über Sitte und Moral schwadronieren wollte, wurde er unerwartet unterbrochen. Die Hecktür des Rettungswagens wurde geöffnet, ein undefinierbares Geräusch ertönte, und mit kräftigem Schwung wurde die Flügeltür wieder ins Schloss geworfen. Leo und ich schauten uns verdutzt an, ein Blick durch das kleine Fenster, das Fahrer- und Patientenraum miteinander verbindet, verriet nichts. »Was war das denn? Hattest du nicht abgeschlossen?«, fragte Leo. Ohne eine Antwort abzuwarten, gab er Anweisung: »Fahr uns mal aus dem Gewühl heraus, und dann halt an! Da war doch was, das will ich mir mal genauer ansehen.« Ob Leo das wirklich wollte, darf im Nachhinein berechtigt bezweifelt werden. Nachdem ich angehalten hatte, waren wir ausgestiegen und ans Heck des Rettungswagens getreten. Leo öffnete die rechte der beiden Flügeltüren, und unser fassungsloser Blick traf auf circa zwei Liter Erbrochenes, das großzügig den hinteren Teil unserer Trage bedeckte. Langsam lief die Mischung aus Magensaft, Bier und angedauten Speiseresten in alle möglichen Ritzen und Falten. Leos Gesicht nahm bedrohliche Farbtöne an. Er war purpurrot, als aus schmalen Lippen ein verkrampft leises »Das hab ich nicht verdient!« ertönte. Es gab aber noch mehr schlechte Nachrichten. Mit etwas Abstand, um die Kotze nicht auch noch nasal zu verarbeiten, beobachtete ich Leo, als mein Blick auf die äußere Seitenwand unseres Fahrzeugs fiel. Hier stand in riesigen Buchstaben mit breitem schwarzen Marker geschrieben: »KUHSCHEISSE UND BUTTER HABEN DIE GLEICHE MUTTER.« Mein verwirrter Blick hatte Leos Aufmerksamkeit erregt. Sein Auge erblickte die Schmiererei. Er verharrte einen Augenblick, bevor er manisch beschwörend seine Stimme erhob: »Aus Arschlöchern macht man keine Wurst, sonst würde ich die Typen, die das verbrochen haben, in Stücke hacken und an nen Metzger verkaufen!« Aus Leos Augen sprach pure Wut. Wenn man ihm in dem Moment auch nur die falsche Tageszeit gesagt hätte, ein Aufenthalt in der chirurgischen Intensivstation wäre sehr wahrscheinlich geworden. Leo hatte aber auch ein denkbar schlechtes Rettungsdienstcomeback hingelegt: Erst die Sache mit dem Hodensack, dann falscher Alarm, anschließend hatte jemand in die Karre gekotzt, und zu allem Übel war auch noch die Außenseite des Rettungswagens beschmiert. Da darf man sich ja wohl mal kurz echauffieren. Langsam, aber sicher fand Leo seine Beherrschung wieder. Dass man uns auch noch den Tankdeckel geklaut hatte, habe ich ihm nie verraten, ich hätte sonst Sorge um die öffentliche Sicherheit gehabt.

6. Immer sachlich bleiben
    Schauen Sie sich mal diese Sauerei an

    Takt ist eine schreckliche Sache. Wenn man ihn nicht hat, regt sich jeder auf. Wenn man ihn hat, merkt das kein Mensch. Shirley MacLaine

    U nd es war Sommer, brütende Hitze, circa 34°C im Schatten. Das Radio sprach von »gefühlter Temperatur« mindestens 43°C - neumodischer Schnickschnack irgendwelcher Wetterfeen! Früher war die Wettervorhersage etwas sehr Sachliches und nicht das subjektive Empfinden der Allgemeinheit. Wie misst man

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