Schauen sie sich mal diese Sauerei an
beschäftigen in vielen Städten mittlerweile jedoch eigene Sachbearbeiter. Abteilungen kompromissverliebter berufsbedingter Patientenversteher, die um jeden Preis Klagen und Beschwerden abwenden und dafür Dinge wie Konsequenz und gesunden Menschenverstand auf dem Altar der Selbstaufgabe bereitwillig opfern. Diese Mitarbeiter haben die Personalnummer auf der Fußsohle tätowiert, damit man weiß, mit wem man es zu tun hat, wenn der Kopf noch im A...äähhmmm, in den Akten eines »Kunden« steckt. Vielleicht ist diese Darstellung der Dinge geringfügig übertrieben, aber mitten in der Nacht oder bei einem bevorstehenden Frühstück bringen mich diese Krankenhausdiskussionen schon mal an den Rand des Wahnsinns, dann sind die mit sinnloser Konversation verschwendete Zeit und ein Umweg von nur drei Kilometern schon kriegsentscheidend. Fragen wie »Komme ich heute noch mal zur Ruhe?« oder »Werde ich heute satt oder nicht?« sind elementar - Schlafentzug und Hunger machen aggressiv; von jemandem, der darunter leidet, möchten Sie bestimmt nicht gerettet werden. Zurück zu Klara. »Im St. Maria Hilf ist mein Mann vor zwei Jahren verstorben, ach, was sag ich, krepiert ist er. Anonymer Bettenbunker, da ist man nur eine Nummer - keine persönliche Betreuung, der Zimmernachbar meines Mannes ist zweimal aus dem Bett gefallen und hat auf dem Fußboden übernachtet. Außerdem muss ich in ein paar Tagen nach Kanada. St. Maria Hilf und dann noch so lange - nur über meine Leiche.« »Das mit Ihrer Leiche kriegen wir hin«, sagte Dr. Lehenbrink, im Glauben, er sei witzig. Nachdem niemand über seinen verbalen Ausrutscher gelacht hatte, ergänzte er möglichst sachlich: »Jedenfalls wenn Sie sich unkooperativ verhalten. Sie müssen mit ins Krankenhaus, Sie schweben in akuter Lebensgefahr.« »Ich muss nach Kanada, sonst überhaupt nix. Sie haben Ihr Bestes getan. Das war nicht viel, aber immerhin - ich habe die Medikamente, die ich brauche, bekommen, mehr tun die im Krankenhaus auch nicht. Ich bleibe hier, schließlich bin ich nicht entmündigt.« Die Hautfarbe des Notfallmediziners wechselte ins Rötliche, seine Stimme wurde schrill. »Das grenzt ja an Altersstarrsinn! Können Sie die Folgen für sich selbst überhaupt einschätzen? Wenn Sie hierbleiben, dann nur auf Ihre eigene Verantwortung, das werden Sie mir unterschreiben müssen.« Frau Hansen antwortete bewusst ruhig: »Ihnen unterschreibe ich noch ganz andere Sachen.« Rhetorisch war Klara unserem Notarzt überlegen, doch das brachte mich nicht an den ersehnten Frühstückstisch. Die Auseinandersetzung der beiden kostete nur wertvolle Zeit, eine Lösung war nicht in Sicht, es wurde Zeit für eine Alternative. »Ähhmmm, Entschuldigung«, schaltete ich mich vorsichtig in das Gespräch ein. »Frau Hansen, Klara, wie wäre es denn, wenn wir in ein anderes Krankenhaus fahren und Sie holen sich quasi eine zweite fachärztliche Meinung?« »Nein und nochmals nein«, antwortete mir Klara höflich, aber bestimmt. »Klara«, holte ich erneut aus, »Sie sind wirklich schwer krank und sollten sich in ärztliche Behandlung begeben. Ich bleibe auch während der Fahrt zum Krankenhaus bei Ihnen«, versuchte ich mich einzuschleimen. »Das ist sehr freundlich, aber ich muss zu meinem Enkelkind, wir sprachen bereits darüber - Sie erinnern mich wirklich sehr an meinen Ulrich, ich muss nach Kanada.« Ich gab nicht auf: »Aber Sie wollen doch gesund zu Ihrem Enkelkind! Stellen Sie sich vor, in Kanada wird Ihre gesundheitliche Lage schlechter, das würde doch nur die anstehende Geburt überschatten! Welches Krankenhaus kommt denn für Sie überhaupt in Frage? Ich versuchte, gleichzeitig ein schlechtes Gewissen zu erzeugen und Frau Hansen eigene Entscheidungskompetenz zu suggerieren. Die Antwort kam prompt: »Uni-Klinik in Toronto.« Nun begann ich zu betteln: »Frau Hansen! Ich bitte Sie, denken Sie an Ihre Gesundheit, bitte begleiten Sie uns ins Krankenhaus, kommen Sie mit uns, bitte.« »Nein«, sagte Klara mit leicht dominantem Unterton. »Das ist aber nicht die Art, wie Frauen in Ihrem Alter normalerweise auf mich reagieren!«, kokettierte ich. Damit setzte ich alles auf eine Karte. Entweder ich verspielte meinen Sympathiebonus komplett, oder ich würde einen triumphalen Sieg erringen. Die Replik erfolgte in rheinischem Dialekt: »Hür jot zo, du Playboy ohne Jeld, wo du hinjes is mich ejal, ever ich blief he.« Stille - Klara und ich schauten uns an, unsere Blicke hafteten einen
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