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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Nießen
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aber eben nicht jeden Tag. Derartige Ereignisse kommen immer wieder vor, sind aber Gott sei Dank auch auf viele Schultern verteilt. Persönlich kenne ich keinen einzigen Rettungsassistenten, der schon einmal ein kleines Kind aus einem verunfallten, noch brennenden Auto gezogen hat, was Sekundenbruchteile später explodierte. In Gesprächen wird man aber allen Ernstes gefragt, wie oft man so was denn schon selbst erlebt habe. Merkwürdigerweise fragt niemand, wie oft ich schon einen grippalen Infekt oder das heimtückische »plötzliche Unwohlsein« ins Krankenhaus gefahren habe. In der Bevölkerung herrscht ein merkwürdig romantisch-dramatisches Bild vom Rettungsdienst. Häufig höre ich Sätze wie den folgenden: »Nein, deinen Beruf, das könnte ich nicht! Immer dieses Leid, ich hätte immer die grausamen Bilder vor Augen und würde keine Nacht mehr schlafen und nur noch schlecht träumen.« Nun ja, das mit dem Leid ist Ansichtssache. Lassen Sie mich von »Fabulous Wanda« erzählen, denn da fragt man sich dann schon, wie viel Leid man ertragen kann. Meine erste Begegnung mit Wanda liegt etwa vier Jahre zurück. Ein Routineeinsatz mit einer kollabierten Person. Nach einem gemeinsamen Brunch mit Freunden war ein circa 35-jähriger Mann zusammengebrochen. Auffallend waren nur die sehr femininen Gesichtszüge unseres Patienten, der auch sonst ein eher affektiertes Verhalten an den Tag legte. Auf die Frage nach seinem Geburtsdatum antwortete unser Patient empört: »Unverschämtheit, Sie Schnösel glauben doch nicht etwa, dass ich Ihnen sage, wie alt ich bin? Derartiges fragt man eine Dame nicht.« Leicht verwirrt dachte ich mir, okay, wir haben es mit einem Teekännchen zu tun, das auf Grande Dame macht. »Kann ich denn einmal Ihre Versicherungskarte sehen?«, startete ich einen neuen Versuch. Unwissend, dass Geburtsdaten auch auf der Krankenversicherungskarte gespeichert sind, hielt das Mimöschen uns die Chipkarte mit einer gewissen Arroganz, aber weichen zarten Fingern mit perfekt polierten Nägeln entgegen. Sein Name war: Rene van Helden. Zeitsprung - ein Jahr später. In einer lauen Sommernacht, sonntagnachts auf der Rückfahrt von einem Einsatz, sprach uns die Leitstelle über Funk an: »04-83-01, Frage: Standort?« »Valkenburger Weg, auf dem Weg zur Wache«, antwortete Hein. »Dann fahrt mal bitte zur Baustelle an der Bastionsstraße. Wir hatten einen Anruf von jemandem, der angab, er sei auf der Baustelle in einen Schacht gestürzt. Der Kerl soll schon vier Stunden in dem Loch sitzen, irgendwann ist es ihm dann wohl gelungen, uns per Mobiltelefon zu erreichen, die Verbindung brach aber sehr schnell wieder ab, klingt alles etwas merkwürdig. Die Polizei kommt ebenfalls zur Unterstützung, schaut euch die Sache mal an.« An der nächsten Kreuzung wendete ich unseren Rettungswagen und fuhr Richtung Einsatzstelle. Hein mag diese Art von Einsätzen. Durch das Suchen des Patienten bekommt das Ganze so einen netten Schnitzeljagdcharakter. Bewaffnet mit Bolzenschneider, Handscheinwerfer und dreißig Meter Feuerwehrsicherheitsleine sprang mein »Spürhund« aus dem Rettungswagen. Nach einer halben Stunde war die Enttäuschung groß. Nicht nur, dass wir keinen Patienten gefunden hatten, es gab nicht mal einen Schacht, in den man hätte stürzen können. Einer der Polizisten brachte es auf den Punkt: »Da sind wir wohl alle schön verarscht worden. Irgendein Heini sitzt irgendwo hinterm Fenster, schaut uns zu und lacht sich über uns kaputt. Wir brechen den Einsatz ab und fahren nach Hause.« Im Konvoi brachen wir auf, unser Rettungswagen bildete die Spitze, und drei Streifenwagen folgten uns. An der nächsten Ampel sollten sich unsere Wege eigentlich trennen, doch dazu kam es nicht. Noch während wir auf die Ampel zurollten, bemerkte ich einen jungen Mann, der am Boden sitzend, anscheinend schlafend, einen Ampelmast umarmte. »Da müssen wir wohl mal nachschauen«, sagte ich, an Hein gewandt, und deutete mit der Hand auf meine Entdeckung. »Jaja, ist zwar nur ein besoffenes Mahnmal der letzten Partynacht, aber nachschauen müssen wir wohl. Sieht schlecht aus, wenn wir vorbeifahren und die Bullen hinter uns feststellen, dass jemand eine Lichtzeichenanlage für seine neue Freundin hält.« Wir stiegen aus und gingen auf den Ampelmast zu, Hein rief: »Hallo, guten Morgen, aufwachen, alles in Ordnung mit Ihnen?« Der Kopf hob sich, und ich blickte in ein Gesicht, das mir bekannt vorkam. Aus dem Gesicht wurde eine Fratze

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