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Schaut nicht weg

Schaut nicht weg

Titel: Schaut nicht weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Zu Guttenberg
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der Missbrauch an die Öffentlichkeit käme. Verlässt der Täter dann die Familie? Wer ernährt dann die Familie? Ist die Mutter dann sehr traurig? Ist die Mutter dann böse? Werden sich die anderen trauen, dem mächtigen Täter Einhalt zu gebieten? Diese Unsicherheit wird vom Täter immer wieder geschürt, damit die Mädchen und Jungen möglichst lange über den sexuellen Missbrauch schweigen. Manchmal aber haben die Täter auch eine so intensive Beziehung zu ihren Opfern, dass diese ihn gar nicht verlieren wollen. Die Vorstellung, dass er Ärger bekommen oder gar ins Gefängnis gehen müsste, ist ihnen unangenehm. Die betroffenen Kinder wollen zwar, dass ihr Großvater oder Stiefvater sie nicht mehr missbraucht – möchten aber weiterhinAusflüge mit ihm machen, sich von ihm Geschichten erzählen lassen, seine »guten« Seiten genießen. Sie lieben ihn und hassen den sexuellen Missbrauch.
    Übrigens: Auch eine mögliche Zustimmung der Kinder zu den sexuellen Handlungen der Täter ist strafrechtlich nicht ausschlaggebend. Denn Kinder sind aufgrund ihrer kognitiven und emotionalen Entwicklung nicht in der Lage, die Tragweite solcher Handlungen zu begreifen, und können diesen deshalb auch nicht wissentlich zustimmen. Kinder sind also niemals (mit) schuld an sexuellen Übergriffen – selbst wenn sie anfangs vielleicht sogar noch diffuse Lustgefühle verspürten oder dem Täter aus Angst und Scham ihre Zustimmung gaben. Die Verantwortung liegt einzig und alleine beim Erwachsenen beziehungsweise beim älteren Jugendlichen.
»Woran erkennt man betroffene Kinder?«: Folgen und Symptome sexuellen Missbrauchs
    Es gibt keine klassischen Symptome, die einen Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch nahelegen, abgesehen natürlich von körperlichen Verletzungen im Anal- oder Vaginalbereich oder auch blauen Flecken an Gesäß und Unterleib. Denn bei jedem Kind kann sich die erlebte sexuelle Gewalt anders äußern. Es gibt sexuell missbrauchte Kinder, die auf den ersten Blick kaum Symptome zeigen. Andere wiederum werden nach den Taten introvertiert oder extrovertiert, verhalten sich aggressiv oder depressiv. Viele Kinder beginnen auch, plötzlich wieder einzunässen oder einzukoten, schlafen auf einmal nicht mehr oder schlafen nur noch. Zeigt ein Kind diese Symptome, heißt es also erst mal zu verstehen, welche Ursachen diese Verhaltensänderung haben mögen. Denn dieGründe können vielfältig sein: Auch seelische Belastungen wie ein Umzug, Mobbing in der Schule, die Krankheit eines nahestehenden Verwandten, häufige Streitereien der Eltern, die Geburt eines Geschwisterchens oder der Tod eines Haustiers vermögen bei Kindern ähnliche Symptome zu produzieren wie sexuelle Gewalt.
    Mädchen und Jungen, die sexuelle Gewalt erleben, entwickeln also eine Vielzahl an Symptomen. Alle nachstehend genannten Auffälligkeiten und seelischen Probleme sind besonders typisch – können aber auch durch andere belastende Lebenssituationen ausgelöst werden. Entwicklungsverzögerungen, Sprachstörungen, Bauchschmerzen und Atembeschwerden zählen zu den häufigsten Symptomen sexuellen Missbrauchs. Denn der Geheimhaltungsdruck, der den betroffenen Kindern und Jugendlichen auferlegt wird und oft über Jahre andauert, bündelt unendlich viele Energien: Das »Überleben« und »nichts zu verraten« kostet die Kinder viel Kraft. Diese Energien fehlen den Kindern dann häufig für eine normale, altersgerechte Entwicklung. Typisch etwa sind Rückfälle in frühere Entwicklungsstufen: Manche Kinder werden übertrieben anhänglich, verhalten sich wieder unselbstständig, lutschen wieder Daumen oder fallen in die Babysprache zurück. Einige entwickeln auch Sprachstörungen wie Stottern oder Stammeln, die oft daher rühren, dass sie das Geschehen nicht in Worte fassen dürfen. Sie sind öfters krank, weil sie Krankheiten wenig entgegensetzen können. Viele wirken auch lustlos und antriebsarm. Auch Klagen über Bauchschmerzen, für die es keinen medizinisch erkennbaren Grund gibt, sind häufig. Atembeschwerden und Atemnot können auftreten, wenn Kinder oder Jugendliche oral vergewaltigt werden. »Ich litt still und hatte keinen Appetit mehr, war dünn, blutarm und extrem schüchtern«, schrieb mir eine Betroffene.
    Beginnt der sexuelle Missbrauch im Kindergartenalter, koten und nässen Kinder, die schon längst alleine auf die Toilette gegangen sind, häufig wieder ein. Die Ursache dafür kann unter anderem der (unbewusste) Versuch sein, sich unattraktiv

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