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Schaut nicht weg

Schaut nicht weg

Titel: Schaut nicht weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Zu Guttenberg
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unterschiedlichster Art kommen, beispielsweise zu Waschzwängen oder verschiedensten Ängsten, die sie zum Teil massiv einschränken. Ebenso haben betroffene Kinder und Jugendliche häufig kein gutes Gespür für Nähe und Distanz. Sie vermeiden entweder jeden Körperkontakt oder zeigen im Gegensatz ein sehr distanzloses Verhalten. Die meisten Menschen sind der Meinung, dass Kinder und Jugendliche, die sexuelle Gewalt erleben mussten, Körperkontakt dauerhaft vermeiden werden. Tatsächlich ist dies oft der Fall. Doch genauso häufig kann auch das Gegenteil beobachtet werden. Sexueller Missbrauch bedeutet ein penetrantes Überschreiten körperlicher Grenzen und je früher der Missbrauch beginnt und je länger er andauert, desto weniger haben die Betroffenen ein Gespür für ihren Körper und ihre Grenzen. Sie wachsen mit der Botschaft auf: »Wer dich mag, fasst dich an« und habengelernt, dass eine Grenzsetzung von ihrer Seite aus ignoriert wird. Häufig »bieten« sie sich auch Erwachsenen an. Dahinter steckt vermutlich der unbewusste Gedanke, kein Opfer werden zu können, wenn sie »freiwillig mitmachen«. Mit diesem Verhalten ernten sie jedoch oft Unverständnis in ihrer Umgebung. Wenn der Missbrauch dann aufgedeckt wird, wird dieses sexualisierte Verhalten häufig nicht als Symptom der sexuellen Gewalterfahrungen erkannt, sondern ihnen aufgrund dessen noch eine Mitschuld am Geschehen zugeschrieben.
    Sexuell missbrauchte Kinder können sich überdies nur schwer in eine Gruppe Gleichaltriger integrieren, sie spielen lieber alleine oder mit jüngeren Kindern, da sie diese als nicht so bedrohlich empfinden. Zu Beginn des sexuellen Missbrauchs ziehen sich Kinder und Jugendliche häufig recht abrupt zurück: Kinder müssen sich von ihren Erzieherinnen oder Lehrerinnen distanzieren, um nicht Gefahr zu laufen, von den sexuellen Missbrauchserlebnissen zu erzählen. Jugendliche brechen oft sogar den Kontakt zu ihrem bisherigen Freundeskreis ab und isolieren sich. Oder sie lassen sich auf einen neuen, meist »üblen« Freundeskreis ein. Damit verhindern sie, dass ihnen nahestehende Freunde ihre Verhaltensänderungen bemerken. Außerdem fühlen sie sich häufig so schmutzig und minderwertig, dass sie glauben, gute und wohltuende Kontakte nicht mehr zu verdienen. Von der Tendenz her ist es so, dass sexuell missbrauchte Mädchen eher in der Opferrolle verharren und sich im Laufe der Jahre immer wieder in Opfersituationen wiederfinden: erneut als Opfer eines anderen Sexualstraftäters, als Mobbingopfer in der Schule oder im Beruf, als »Fußabtreter« innerhalb der Familie. Jungen dagegen tendieren eher dazu, aggressiv aufzutreten und selber in die »Täterrolle« zu gehen, nach dem Motto: »Angriff ist die beste Verteidigung!«.Sie prügeln sich im Pausenhof, belästigen andere sexuell, drohen und erpressen. Damit wollen sie zum einen unterbinden, dass sie nochmals zum Opfer gemacht werden. Zum anderen wollen sie verhindern, dass jemand auf den Gedanken kommen könnte, sie seien selbst mal Opfer gewesen. In der Behandlung gerade dieser Jungen darf jedoch niemals vergessen werden: Auch sie sind Opfer sexuellen Missbrauchs und brauchen genau dieselbe Hilfe wie Mädchen, um ihre Opfererfahrungen verarbeiten zu können. Denn viele dieser Auffälligkeiten sind so genannte Überlebensstrategien. Sie helfen den betroffenen Kindern, den sexuellen Missbrauch zu überleben und die Spannung auszuhalten. Leider wenden sich diese Überlebensstrategien früher oder später gegen sie und schaden ihnen, entweder körperlich oder im Umgang mit anderen Menschen.
»Wie können wir unsere Kinder schützen?«: Präventive Botschaften in der Erziehung
    Gleich vorab: Wir können unsere Kinder nicht davor schützen, einem Täter zu begegnen. Das liegt nicht in unserer Hand. Aber: Wir können in der Erziehung unserer Kinder Einfluss darauf nehmen, dass sie solchen Begegnungen nicht gänzlich hilflos gegenüberstehen müssen, sondern das Geschehene wahrnehmen und einordnen können und dann in der Lage sind, sich Hilfe zu holen. Präventive Erziehung beginnt im Optimalfall bei den Allerjüngsten und zieht sich durch die gesamte Kinder- und Jugendzeit. Sie findet nicht nur als ein einmaliges Projekt in der Schule statt, sondern ist Bestandteil des Alltags innerhalb der Familie. Der Fokus der präventiven Erziehung liegt nicht auf dem Schutz vor dem »fremden Mann«, sondern auf dem Schutz vor denjenigenTätern und Täterinnen, die dem Kind im Großteil

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