Schaut nicht weg
noch verwendet. Heute spielt das Internet, mit dem aus der Sicht der Täter entscheidenden Vorteil der Anonymität, die wichtigste Rolle bei der Verbreitung von Kinderpornografie. Die weltweite Vernetzung der Täter, die damit einhergehende massenhafte Verbreitung des Bildmaterials – all dies ist mit dem früher typischen Austausch von Bildern in verborgenen Zirkeln in keiner Weise mehr vergleichbar. Per Knopfdruck werden heute Missbrauchsszenen massenhaft vervielfacht und sind quasi in Echtzeit an jedem Ort der Welt verfügbar.
Daneben ist seit einigen Jahren in begrenztem Umfang auch die Verwendung von Mobiltelefonen (MMS) zum Tausch von Kinderpornografie feststellbar.
Die Verfügbarkeit preiswerter Digitalkameras und Speichermedien, höhere Bandbreiten und kostengünstige Internetzugänge haben zur Entstehung neuer Tatmöglichkeiten und zu einem steigenden Anteil von Videodateien geführt. Auf diesen Videodateien wird der sexuelle Missbrauch von Kindern in beliebiger Länge, mit bewegten Bildern und Ton dokumentiert.
Die Dateien werden nicht nur in geschlossenen Tauschbörsen (Chats, Filesharing-Netzwerken oder Boards) von Einzeltätern für andere Täter oder innerhalb einer Gruppierung bereitgestellt. Zu beobachten ist auch die kommerzielle Ausbeutung der »Ware Kind«. Organisierte Täterstrukturen bieten kommerzielle Webseiten an, wobei die Bewerbung neuer Webseiten, die Verwaltung der Kundendaten und die Organisation der Geldflüsse so durchgeführtwerden, dass die Identität der Täter ebenso wie die ihrer Kunden den Strafverfolgungsbehörden verborgen bleiben soll.
Tatsächliche und potenzielle Sexualstraftäter nutzen die neuen Medien auch als Anbahnungsplattform für den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen. Sie nutzen den Umstand aus, dass sich heute ein immer größerer Teil ihres gesellschaftlichen Lebens online abspielt, und manipulieren sie gezielt, um sie für sexualisierte Handlungen gefügig zu machen. Das zunehmende Angebot an sozialen Netzwerken oder altersspezifischen Kommunikationsplattformen bietet potenziellen Sexualstraftätern relativ leichte Möglichkeiten einer ersten Kontaktaufnahme.
Es kann keinen Zweifel daran geben, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Kinderpornografie in den Neuen Medien mit aller Entschlossenheit verhindert und strafrechtlich verfolgt werden muss.
Dabei gilt für mich: Die Freiheit des Internets muss Grenzen kennen. Diese Medien sind Teil unserer Lebenswirklichkeit und unterliegen genauso Recht und Ordnung wie alle anderen Lebensbereiche.
Zu den unabdingbaren Voraussetzungen eines friedlichen Zusammenlebens zählt die Gewährleistung des Schutzes der Bürger und ihrer Grundrechte, die Gewährleistung der Grundlagen unseres Gemeinwesens sowie die Verhinderung und Aufklärung schwerer Straftaten. Hierin, im Sicherheitsversprechen des Staates, liegt das Fundament der Legitimität jeglicher Staatlichkeit. Effektive Aufklärung von Straftaten und wirksame Gefahrenabwehr sind daher nicht per se eine Bedrohung für die Freiheit der Bürger. Der Bürger muss sich im Rechtsstaat auf effektiven, dem Untermaßverbot genügenden Schutz durch den Staat ebenso verlassen können, wie auf den am Übermaßverbot orientierten Schutz gegen den Staat. Grundrechte stehen daher immer im Spannungsfeld zwischen Untermaß- und Übermaßverbot. Und hier erweisen sich die Preis-der-Freiheit-Argumentationen insbesondere in den Fällen als unzulässig, in denen ein freiheitlicher Willensentschluss seitens des Opfers nicht möglich ist. Der Kindesmissbrauch ist für die Unzulässigkeit dieser Argumentation ein besonderes eindrückliches Beispiel.
Die Polizei ist in diesem Zusammenhang gefordert, den Schutzauftrag des Staates für alle Bürger zu erfüllen und Kriminalität zu bekämpfen – unabhängig davon, in welcher Form und an welchem Ort sie verübt wird. Dies kann und muss heute selbstverständlich auch der virtuelle Raum sein. Wir müssen sicherstellen, dass die Nutzung des Internets für jedermann möglich ist, ohne dass damit schwerwiegende Gefahren verbunden sind.
Wer diesen Anspruch aufgibt, weil er meint, dies sei der Preis der Freiheit, denn 100-prozentige Sicherheit könne es ohnehin nicht geben, der kündigt das Sicherheitsversprechen des Staates gegenüber seinen Bürgern auf – zugleich eine wesentliche Rechtfertigung des staatlichen Gewaltmonopols. Der Staat ist von Verfassung wegen verpflichtet, die Sicherheit der Bevölkerung zu
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