Scheherazade macht Geschichten
mehr, und selbst du wirst zugeben, daß dies eine ziemlich lange Zeit ist, wenn man in einer Flasche herumlungert. Doch noch immer kam niemand, mich zu befreien.
Was kann ein Ifrit in einer derart beengten Lage tun – ganz abgesehen von den schlimmen Krämpfen, die eine solche hervorruft, Krämpfe, wie sie nie zuvor ein Mensch oder ein Ifrit verspürt hat. Wen wundert es da, daß die Einsamkeit schließlich zuviel für mich wurde? Und so kam es, daß ich im sechshundertsechsundvierzigsten Jahr meiner Gefangenschaft, an einem Dienstag um zwei Uhr siebzehn nachmittags, folgenden Schrei ausstieß: ›Nun gut! Also findet mich hier niemand? So sieht das also aus? Nun gut, nun gut, ich werde es euch allen zeigen! Jetzt werde ich denjenigen, der mich befreit, töten, und mein einziges Zugeständnis an ihn wird sein, daß ich ihn seine Todesart selbst bestimmen lasse!‹
Ja, und so kam es, daß ich noch vierhundert weitere Jahre wartete, bis ich meinen Schwur erfüllen konnte. Und erfüllen werde ich ihn an dir!‹
DIE GESCHICHTE
VOM FISCHER UND DEM,
WAS ER IN SEINEM NETZ FING
(an einer Stelle fortgesetzt, an der der Fischer sich lieber
in den Büschen versteckt hätte)
Mit diesen Worten verfiel der Ifrit erneut in Schweigen.
›Mehr kann ich also nicht erwarten?‹ faßte der Fischer zusammen. ›Ich darf bloß meine Todesart wählen?‹
›Nicht mehr und nicht weniger‹, stimmte der Ifrit zu. ›Ich würde vorschlagen, daß wir uns sogleich ans Werk machen. Ich muß noch die Menschheit unterjochen und die gesamte Erde verwüsten, ganz abgesehen davon, daß ich mehr als tausend Jahre lang nichts zu essen bekommen habe.‹
Während der Ifrit seine Geschichte erzählte, hatte der Fischer jedoch überlegt, ob ihm außer jenen unerreichbaren Büschen noch eine andere Fluchtmöglichkeit offenstand, und sich zu dem Versuch entschlossen, seinen Verstand mit dem der übernatürlichen Kreatur zu messen.
›Nun gut‹, entgegnete er daher. ›Ich habe nur eine Bedingung, die du erfüllen mußt, bevor ich sterbe, und das ist folgende: Ich muß die Wahrheit wissen.‹
›Pardon?‹ meinte der Ifrit mit einem Stirnrunzeln. ›Ich bin zwar ein derart allmächtiges Wesen, daß ich so gut wie alles weiß und verstehe, aber der Sinn deiner Frage erschließt sich mir leider nicht.‹
Die Verwirrung des Ifrits ermutigte den Fischer sehr, denn er hatte gehofft, ihm einen wirklich unwiderstehlichen Köder hinzuwerfen. Es schien ihm gelungen zu sein.
›Ich habe nur eine Frage‹, erklärte er daher, ›die du beantworten mußt, bevor ich sterbe.‹
›Nun denn, so sprich‹, forderte ihn der Ifrit, der immer ungeduldiger wurde, auf. ›Wie lautet die Frage?‹
Der Fischer deutete auf das Gefäß, aus dem der Ifrit geschlüpft war. ›Wollen wir doch einmal ehrlich sein. Schau dich an: groß, eindrucksvoll, vielleicht sogar überwältigend. Und jetzt sieh dir diesen erbärmlichen, unzulänglichen Behälter an. Wie soll ich glauben, daß du tatsächlich aus dieser winzigen Flasche gekommen bist? Mit etwas Glück paßt vielleicht gerade deine Hand oder dein Fuß in ein so enges Behältnis!‹
Der Ifrit starrte den Fischer voller Verwunderung an. ›Wie kommst du überhaupt auf eine solche Frage? Hast du mich denn nicht eben aus diesem Gefäß herauskommen sehen?‹
Auf diese Worte hin wiegte der Fischer skeptisch den Kopf. ›Ich habe dich ankommen sehen, aber einige diesbezügliche Einzelheiten sind mir nur äußerst verschwommen im Gedächtnis. Nichts ist einem Schock so förderlich wie das Auftauchen eines Ifrits. Von überraschtem Staunen und starker Verwirrung wollen wir gar nicht erst reden.‹
›Nun, eigentlich dürfte mich das nicht verwundern‹, antwortete der Ifrit, nachdem er eine Weile überlegt hatte. ›Wenn man einen so fürchterlichen Ruf hat wie ich, muß man mit so etwas rechnen. Aber ich kann dir versichern, daß ich tatsächlich aus jener Flasche gekommen bin.‹
›So etwas glaube ich nur, wenn ich es mit eigenen Augen sehe!‹ verkündete der Fischer mit bemerkenswerter Sturheit. ›Wenn du so allmächtig bist, wie du sagst, warum machst du es mir dann nicht einmal vor?‹
›Oh, nun, wenn's sein muß‹, erwiderte der Ifrit nach merklichem Zögern. ›Aber sobald ich es dir vorgeführt habe, wartet dein Grab auf dich, mein Junge. Und danach heißt's dann für mich: Auf und frisch ans Werk!‹
›Mehr erwarte ich auch gar nicht‹, stimmte der Fischer zu. ›Doch werde ich dann in Frieden
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