Scheherazade macht Geschichten
erzählen‹, meinte der Ifrit. ›Und du wirst zuhören!‹
›Nun, ich nehme an, es bleibt mir nichts anderes übrig.‹, stimmte ihm der Fischer nüchtern zu. Er verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere, als fühlte er sich ein wenig unwohl. ›Es macht dir doch nichts aus, wenn ich, während du erzählst, ein wenig hin und her spaziere? Vielleicht in Richtung der Büsche da drüben.‹
›Um dabei von einem noch früheren und um so schrecklicheren Tod ereilt zu werden?‹ überlegte der Ifrit. ›Nun, das würde mich in der Tat nicht weiter stören, auch wenn du dann das Ende meiner Geschichte verpassen würdest.‹
›Andererseits‹, schränkte der Fischer ein, ›verspüre ich eigentlich gar kein Bedürfnis mehr, die Büsche dort drüben aufzusuchen. Und plötzlich bin ich auch ganz versessen darauf, deine Geschichte zu hören, einschließlich aller ausschweifenden Erläuterungen betreffs ihrer Moral – falls du solche zu geben beabsichtigst. Seltsam, wie diese Bedürfnisse von einem Moment auf den anderen kommen und gehen.‹
›So etwas ist mir schon öfter bei Menschen aufgefallen‹, bestätigte ihm der Ifrit. ›Nun gut. Dann vernimm also meine Geschichte, während ich mich darauf vorbereite, dich auf höchst übelriechende Weise zu töten.‹
Übelriechend? dachte der Fischer. Plötzlich überkam ihn ein unangenehmes Gefühl bei der Frage, ob sein Ableben möglicherweise etwas mit toten Fischen zu tun haben würde.
Doch dann hatte er nicht länger Zeit, sich solche Fragen zu stellen, denn der Ifrit begann zu erzählen:
DIE GESCHICHTE
VOM IFRIT UND SEINEM ZORN
Es war einmal vor vielen, vielen Jahren, da kam es zu einem großen Krieg zwischen den Ifrits und den Menschen, der entscheiden sollte, wer denn nun wirklich die Herren der Erde waren. Ich war der König der Ifrits. Der Mann, der deinesgleichen anführte, hieß Salomon, Sohn Davids, und auch er war ein König und sogar ein noch größerer als ich.
Schließlich kam es – wie in jedem Krieg – zu einer letzten, alles entscheidenden Schlacht, in der ich gegen Salomons Truppen kämpfte, die von seinem Wesir geführt wurden. Viele Menschen und viele Ifrits ließen in dieser Schlacht ihr Leben, die hundert und einen Tag dauerte. Und an diesem letzten Tag wußte ich, daß unser Aufstand zu Ende war, denn wir hatten keine Kraft mehr, weiterzukämpfen. Der Wesir hatte mich besiegt. Er brachte mich vor seinen König, und ich mußte vor Salomon zu Kreuze kriechen.
Dennoch verspürte ich bis dahin keinen Zorn in meinem Herzen. Salomon blickte auf mich herab, als ich mich vor ihm auf die Knie warf, und sagte:
›Bereue! Wenn du mir bei deiner Ehre schwörst, fortan den Menschen zu dienen, soll dir Verzeihung gewährt werden.‹
›Niemals!‹ schrie ich. ›Auch wenn ihr meinen Körper gefangen habt, so soll mein Geist doch frei sein!‹
König Salomon nickte und antwortete: ›Wie du wünschst.‹ Dann befahl er seinem Wesir, mich mit Hilfe seiner Magie in jenes Gefäß, das noch immer da drüben liegt, zu bannen. Und Salomon veranlaßte außerdem, es mit einem heiligen Siegel zu versehen, auf dem sein Name eingraviert wurde, damit ich nie wieder würde entkommen können. Anschließend befahl der König anderen Ifrits, die seine Bedingungen angenommen hatten, das Gefäß zu nehmen, in dem ich nun gefangen war, und es mitten in den riesigen Ozean zu werfen.
Dort wartete ich hundert Jahre lang, und in all den hundert Jahren sagte ich zu mir: ›Ach, würde mich doch nur jemand aus meinem Gefängnis befreien! Ich würde ihn zum Dank mit großem Reichtum überhäufen.‹
Doch verstrichen diese hundert Jahre und dann noch einmal zweihundert, ohne daß etwas geschah. Und in dieser Zeitspanne beschloß ich: ›Was rede ich da von großem Reichtum? Das wäre ein viel zu schäbiges Geschenk! Ich werde demjenigen, der mich befreit, alle Schätze dieser Welt zu Füßen legen, damit er sich die wertvollsten und schönsten aussuchen kann.‹
Doch auch diese Jahre gingen vorüber, und ich empfand schreckliche Angst, fürchtete, dazu verdammt zu sein, für immer auf dem Meeresboden verschollen zu bleiben. Daher sagte ich mir in den nächsten dreihundert Jahren: ›Alle Schätze dieser Welt sind immer noch nicht ausreichend! Ich werde demjenigen, der mich befreit, drei seiner größten Herzenswünsche erfüllen!‹
So harrte ich also aus, erst hundert Jahre, dann noch einmal zweihundert Jahre und schließlich noch dreihundert Jahre
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