Scheherazade macht Geschichten
beruhigen. »Dieses Schwert scheint mich immer auf andere Gedanken zu bringen. Nun, was hast du eben über deine Geschichte gesagt?«
Scheherazade schenkte ihm ihr lieblichstes Lächeln und faßte den Entschluß, sich noch mehr anzustrengen. Noch phantastischer, noch verwickelter wollte sie ihre Geschichten gestalten. So hoffte sie, die Aufmerksamkeit des Königs gefangenzunehmen und dabei gleichzeitig eine Möglichkeit zu finden, sich des gefährlichen Schwertes zu entledigen, das einen solch unheilvollen Einfluß auf Shahryar hatte.
Denn Scheherazade hatte keine Ahnung, wie sie ohne ihren Kopf mit ihrer Geschichte fortfahren sollte.
Das 11. der 35 Kapitel,
in dem nicht nur die Geschichte
einige unerwartete Wendungen nimmt.
Und dies ist die Geschichte, die Scheherazade in jener Nacht erzählte:
DIE GESCHICHTE
VON DEM HÄNDLER UND
DEM DSCHINN
(Wiederaufgegriffen an der Stelle, an der der dritte Scheich die Geschichte vom Fischer und dem, was dieser gefangen hat, erzählt)
So kam es also, daß der Fischer einen großen, furchteinflößenden Ifrit befreite. Und indem er ihm verriet, daß sie nicht länger in der Zeit des großen Salomons lebten, schuf er auch der Wut des Ifrit freie Bahn. Dazu kam, daß der Fischer diese wenig schlaue Tat an einem weiten, leeren Strand beging, von dem es kein Entkommen gab und wo er sich nirgends verstecken konnte – außer natürlich, es wäre ihm möglich gewesen, jene Büsche dort drüben zu erreichen, was allerdings recht unmöglich erschien, wenn er die Größe und Schnelligkeit des Ifrit bedachte. Nein, sein Schicksal schien bestimmt, und es versprach nichts anderes als den Tod.
Dennoch ergab sich der Fischer nicht so schnell in dieses Schicksal. Daher stellte er folgende Frage:
›Warum, o mächtige und fürchterliche Kreatur, wünschst du jemanden wie mich zu töten, der doch so unbedeutend ist im Vergleich zu dir – und der dich, ganz abgesehen davon, auch noch aus deinem Gefängnis befreit hat?‹
›Es ist wahr, daß du mich gerettet hast‹, antwortete der Ifrit, nachdem er eine Weile überlegt hatte. ›Und selbst die fürchterlichste aller Kreaturen kann durchaus Gnade walten lassen. Ich gestatte dir daher, deine Todesart selbst auszuwählen. Doch ich warne dich. Wenn sie nicht abscheulich genug ist, daß man deine Angst- und Schmerzensschreie die ganze Küste entlang hören kann, werde ich nicht bereit sein, diese Wahl zu akzeptieren.‹
Aha, dachte der Fischer, nicht nur, daß er gleich sterben würde, jetzt sollte er auch noch einen Tod wählen, der ihm genug Qualen bereitete, um dieses Ungeheuer zufriedenzustellen? Und immer noch war ihm keine Möglichkeit eingefallen, wie er diese Büsche dort drüben erreichen konnte. Das war mehr, als ein einfacher Mann wie er ertragen konnte.
›Aber was habe ich denn verbrochen?‹ fragte er daher. ›Was habe ich bloß verbrochen? Oder, um es anders auszudrücken, was habe ich mir zuschulden kommen lassen? Oder vielleicht: Welches Vergehen meinerseits führte zu deinem Entschluß, dich an mir zu vergehen? Oder: Was legst du mir zur Last? Oder, um es mit ganz anderen Worten zu sagen...‹
›Es wäre besser, wenn du schweigen würdest«, unterbrach ihn der Ifrit. ›Nun gut. Vielleicht verdienst du tatsächlich keinen so unerwarteten Tod. Ich werde dir daher meine Geschichte erzählen. Auf diese Weise wirst du nicht nur erfahren, welch tiefverwurzelte gefühlsmäßige Gründe mich dazu verleiten, dich zu töten, nein, indem ich dir von den Ungerechtigkeiten erzähle, die mir die Menschheit angetan hat, wird sich auch all mein angestauter Haß lösen und meine Wut noch verzehnfachen, so daß ich nachher in der Lage sein werde, dich auf noch viel grausamere Art und Weise ins Nirwana zu befördern.‹
›Oh‹, meinte der Fischer nur. So gesehen war es vielleicht unklug von ihm gewesen, von Schuld und Verbrechen zu reden. ›Um ehrlich zu sein‹, fuhr der Fischer daher fort, ›wollte ich mich lieber über etwas Unverfänglicheres mit dir unterhalten. Sag, was hältst du eigentlich vom Fischen mit Netzen?‹
›Nein!‹ widersprach der Ifrit im Tonfall dessen, der es gewohnt war, Befehle zu geben. ›Wenn ich einmal mit meiner Geschichte angefangen habe, werde ich nicht eher aufhören, bis ich sie zu Ende erzählt habe. So bin ich nun mal!‹
›Ich habe ja nur gefragt.‹ verteidigte sich der Fischer. Sein Blick wanderte automatisch wieder zu den Büschen hinüber.
›Ich fange jetzt an zu
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