Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
Vom Netzwerk:
Überraschung. »Nur drei Dienerinnen? Wie könnt ihr da nur zurechtkommen? Selbst meinem schlimmsten Feind würde ich nicht weniger als sechs Sklavinnen wünschen! Omar! Wie nachlässig bist du in deinen Pflichten gewesen?«
    Daraufhin fiel der dicke Eunuch wie vom Blitz getroffen auf die Knie. »Ich verstehe es auch nicht«, stimmte er zu. »Ich werde mich selbst auspeitschen lassen!«
    »Ja«, meinte die alte Frau, »das solltest du tatsächlich tun, und zwar so lange, bis Blut zwischen den Striemen hervorquillt.« Zum erstenmal sah Scheherazade die Sultana lächeln. »Ich denke, das ist noch die geringste Strafe, die ein solches Vergehen verdient.«
    Omar kroch über den Boden, um die Füße der Sultana zu küssen. »Gewiß, o weiseste aller Frauen, deren Entscheidungen stets über alle Zweifel erhaben sind. Ganze Ströme von Blut werden fließen! Danke für Euer Verständnis!«
    Scheherazade war äußerst überrascht über die Reaktion der alten Frau – nein, nicht über das Lächeln bei der Erwähnung von Blut, das schien ganz dem Charakter der Sultana zu entsprechen. Es war vielmehr die Überraschung, die die Sultana angesichts des Fehlens von Dienerinnen gezeigt hatte, was nahelegte, daß sie in dieser Beziehung vielleicht doch unschuldig war. Einen Augenblick lang überlegte die Geschichtenerzählerin, ob die alte Frau diese Überraschung nur gespielt haben könnte, um sie und ihre Schwester zu täuschen. Doch es war offensichtlich, daß die Sultana so wenig von Scheherazade und Dunyazad hielt, daß sie sich ihretwegen niemals soweit herabgelassen hätte, zu solch billigen Mitteln zu greifen.
    Scheherazade wußte, daß die Sultana zumindest teilweise für jene Schwerter verantwortlich war, die einen solch unheilvollen Einfluß auf den König ausübten. Konnte jemand völlig anderes hinter dem Verschwinden der Dienerinnen stecken? Erneut mußte sie an die geheimnisvolle Frau in Schwarz denken. War diese Frau vielleicht mehr als bloß ein Geist, und konnte sie der Grund für die Verwandlung der Dienerinnen sein!?
    »Nun gut«, meinte die Sultana unvermittelt, »ich werde eine meiner eigenen Dienerinnen herschicken, die die Säuberung dieser Gemächer überwachen kann. Und um dich nicht mehr als nötig zu stören, werde ich veranlassen, daß alle wichtigen Arbeiten erledigt werden, während du dem König Gesellschaft leistest.«
    Scheherazade öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber die Sultana wischte mit einer herrischen Handbewegung jeglichen Kommentar schon im voraus beiseite. »Es gibt wirklich keinen Grund, sich bei mir zu bedanken. Ich würde mich für dich schämen, wenn jemand den Palast in diesem Zustand zu sehen bekäme, auch wenn wir nur durch Heirat verwandt sind.«
    Mit dieser letzten Bemerkung erhob sich die Sultana und marschierte an Scheherazade und Dunyazad vorbei zu der noch immer offen stehenden Tür. Halb gehend, halb kriechend, folgte Omar ihr, wobei er ihr wiederholt ewige Treue schwor. Nun, so tröstete sich Scheherazade, wenigstens hatte es diesmal kein Gedicht gegeben. Dunyazad schloß eigenhändig die Tür, als ihr Besuch sich ein Stück entfernt hatte. Dann drehte sie sich zu Scheherazade um und fragte: »Und was machen wir jetzt, o Schwester?«
    Scheherazade antwortete ihr mit sehr leiser Stimme, denn sie erinnerte sich an die Bemerkung des Königs über geheime Gänge und Türen im Palast, und sie fürchtete, daß lauschende Ohren viel näher sein konnten, als es ihr lieb war. »Wir dürfen das, was die Sultana tut, nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn immerhin war sie es, die ihrem Sohn die Schwerter geschenkt hat. Ich frage mich, welch Unheil sie wohl in diesen Gemächern anrichten mag, wenn wir nicht anwesend sind.«
    »Und was wird aus unseren Dienerinnen?« hakte Dunyazad nach. »Mir wäre es lieber, wenn sie nicht noch eine weitere Nacht in ihren Zimmern verbringen müßten, denn diese scheinen mir verhext zu sein.«
    Scheherazade blinzelte, als wären ihr erst jetzt die Augen geöffnet worden. Sie und ihre Schwester standen vor zwei scheinbar völlig voneinander unabhängigen Problemen, doch möglicherweise ließen sich beide mit einem einzigen Schlag lösen. Sie trat einen Schritt auf Dunyazad zu und umarmte sie herzlich.
    »O meine kluge Schwester!« rief sie. »Vielleicht hast du genau die richtige Lösung für unsere Probleme gefunden! Doch nun laß uns schnell ein wenig schlafen, damit wir all unsere Sinne beisammen haben, wenn es wieder an der Zeit ist,

Weitere Kostenlose Bücher