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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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wurde, von seinen frisch wiedergewonnenen Fähigkeiten auch sogleich Gebrauch, nahm seine Beine in die Hand und eilte von dannen.
    Seine Frau wandte sich wieder an den schmutzigen Mann, und ihr eben noch wutverzerrtes Gesicht zierte auf einmal ein seliges Lächeln. ›Endlich‹, sagte sie, ›sind wir allein, o mein Scheich des Schleims.‹
    ›Wovon redest du?‹ fragte der schmutzige Mann, und seine Stimme klang höchst unzufrieden. ›Die Schreie des Königs sind bloß die geringsten meiner Beschwerden!‹
    Die Verzweiflung, die die Frau des Königs auf diese Worte hin packte, war so groß, daß sie auf die Knie sank. ›Was stört dich noch, o mein Usurpator des Unrats?‹
    ›Es sind all die Fische da draußen, die ständig aus dem Wasser springen. Das Blubbern und Klatschen, wenn sie wieder ins Wasser fallen, macht mich verrückt. Und außerdem tauchen sie alle jedesmal um Mitternacht an die Oberfläche und verfluchen lautstark ihr Schicksal – und vor allem deine Gedichte!‹
    ›Ja, ist denn jeder hier ein verdammter Kritiker?‹ stöhnte die Frau. ›Nun, ich werde auch das in Ordnung bringen, damit du deine Ruhe finden kannst!‹
    Sprachs, verließ flugs den Palast und ging bis zum Ufer des Sees. Dort angekommen, kniete sie sich hin, bildete mit ihren Händen eine Schale und tauchte sie ins Wasser. Dann zog sie ihre Hände wieder aus dem See und sprach ein paar Worte über dem Wasser, das sie herausgeschöpft hatte. Fast augenblicklich verschwand das Wasser in ihren Händen, ebenso wie der ganze See. Und all die Menschen, die in Fische verwandelt worden waren, verwandelten sich wieder, in Menschen, und die kargen Berge und Hügel wurden wieder zu den vier Inseln des Königreiches, mit Städten und Marktplätzen und Straßen.
    Als dies erledigt war, lief die böse Hexe schnell in den Palast zu ihrem immer noch geschwächten Geliebten zurück.
    ›Ich habe alles getan, was du verlangt hast, o mein Gebieter des Geifers. Und jetzt werde ich meine Belohnung bekommen!‹
    ›Das wirst du in der Tat‹, sagte der Mann und hob sein Schwert. Und als sie dieses Schwert sah, da erkannte die betrügerische Frau, daß diesmal sie selbst betrogen worden war, denn vor ihr stand nicht ihr Geliebter, sondern der Sultan, der den König besucht hatte. Er hatte sich die Kleider in Fetzen gerissen und sich im Schlamm des Seeufers gewälzt, um sich völlig unerkenntlich zu machen. Und das waren auch die letzten Gedanken der bösen Ehebrecherin, denn in diesem Moment traf sie das Schwert des Sultans und spaltete sie in zwei Hälften.
    Schließlich verließ der Sultan den Palast, und er staunte, als er sah, daß dessen Mauern nicht länger aus tiefschwarzen Steinen bestanden, sondern golden in der Sonne glänzten. Und vor ihm, wo einst der See gewesen war, erhob sich jetzt eine große Stadt. Als er die breite Straße hinunterwanderte, kam ihm ein junger Mann entgegen und begrüßte ihn. Der Sultan erkannte, daß es der gleiche junge Mann war, der bis eben noch verhext gewesen war.
    Der König dankte ihm überschwenglich, und der Sultan fragte ihn schließlich: ›Nun, da Ihr von Eurem Fluch erlöst seid, wünscht Ihr da, noch länger in Eurer Stadt zu bleiben, oder begleitet Ihr mich auf einen Besuch in meinen eigenen Palast?‹
    Als er das hörte, lachte der König herzhaft, fügte aber schnell hinzu: ›Verzeiht mir, o größter aller Sultane, aber wißt Ihr denn nicht, wie weit Euer Königreich von meinem entfernt ist?‹
    Der Sultan antwortete, daß es ihn ungefähr eine Stunde gekostet hatte, den seltsamen See zu erreichen, und einen Tag mehr, bis er den Palast gefunden hatte.
    ›Ja, aber das war, als dieser Ort noch verhext war‹, erklärte der König. ›Wenn Ihr nun zu diesem See zurückkehrtet, fändet Ihr nichts als Wüste vor. In der Tat, jetzt, da mein Reich wieder an seinen angestammten Platz zurückversetzt wurde, würdet Ihr ein Jahr und einen Tag brauchen, bis Ihr Eure Heimat wieder erreicht hättet.‹
    ›Ein Jahr und einen Tag?‹ rief der Sultan verzweifelt. ›Und dennoch muß ich zurückkehren!‹
    ›Und ich werde Euch begleiten‹, verkündete der König. ›Wenn man wie ich eine ganze Ewigkeit lang ein unbeweglicher Marmorblock war, muß man sich einfach ein wenig die Beine vertreten.‹
    Und so kam es, daß der Sultan, nachdem er noch zahlreiche Abenteuer auf seiner Reise bestanden hatte, die man an dieser Stelle unmöglich zusammenfassen kann, endlich wieder in seine Heimat zurückkehrte – zum

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