Scheherazade macht Geschichten
erreicht hatten, erkannte ich, daß das, was meine Frau ein Bett nannte, nichts anderes als ein weiterer Haufen Müll war, der eher noch abstoßender wirkte, da er sich zu bewegen schien.
›Du bissst so gud zu mirrr, mein Schschatz‹, sagte der Mann, und seine Aussprache schien in dem Maße schlechter zu werden, wie sich neuer Schleim in seiner Nase und seiner Kehle sammelte. ›Sssag, dasss esss ausssserrr mirrr keinen in deinem Leben giiibt.‹
›Ich bin nur glücklich, wenn ich mich in deinen Läusen baden kann!‹ rief sie in poetischem Überschwang und zog ihn mit einem heftigen Ruck zu sich heran, so daß sie beide auf das Bett aus sich bewegenden Lumpen fielen. Es folgte eine kurzer Zeitspanne ausgesprochen animalischer Lust, die mit gelegentlichem Grunzen, Stöhnen und Husten auf beiden Seiten durchsetzt war. Endlich erlahmte meine Frau, während ihr Liebhaber sich noch in einem heftigen Anfall von Lüsternheit schüttelte. Ich bemerkte, daß meine Frau vollkommen von ihrer Gier überwältigt worden sein mußte, denn sie hatte offenbar das Bewußtsein verloren, und nur ihre Hand schlug ab und zu noch wie von selbst nach einer vorbeisummenden Fliege.
Das war mehr, als ich ertragen konnte. Ich sprang aus meinem Versteck, griff nach meinem Schwert, das meine Frau vor dem Bett abgelegt hatte, und durchtrennte dem abstoßenden Menschen mit einem einzigen Schnitt die Kehle.
›Grarrarrrarrrar!‹ brüllte er, als eine dicke Wolke übelriechender Gase aus der Wunde quoll, die ich ihm zugefügt hatte. Meine Gedanken überschlugen sich. Sicher hatte ich ihn getötet, und wenn ich mich nicht schnell davonmachte, bestand die Gefahr, daß auch ich noch dahingerafft wurde – nämlich von den übelriechenden Gasen! Und so kam es, daß ich das Schwert schnell in seine Scheide zurücksteckte und fluchtartig die schäbige Hütte aus Müll verließ.
Im Palast angekommen, fiel ich erschöpft in einen tiefen Schlaf und wachte erst auf, als meine Frau mir im ersten Licht des neuen Tages ein Gebräu aus Kräutern unter die Nase hielt. Ich sprang auf, war auf ein Geständnis meiner Ehefrau gefaßt, doch sie stand einfach nur vor mir und weinte bitterlich.
›Was fehlt dir, o meine Geliebte?‹ fragte ich, obwohl ich die Antwort schon zu kennen glaubte.
›Jemand, der mir sehr nahestand, ist gestorben!‹ heulte sie.
›Zweifellos ein naher Verwandter, wenn es dich so sehr mitnimmt‹, heuchelte ich, denn ich muß gestehen, ich genoß es ein wenig, meine Frau leiden zu sehen.
›Ein Verwandter?‹ antwortete sie und schien für einen kurzen Augenblick von diesem Gedanken überrascht zu sein. ›Oh, ja, natürlich, ein Verwandter. Ich sterbe vor Trauer!‹
›Und wer ist es?‹ hakte ich nach.
›Ich habe soeben erfahren, daß meine Mutter gestorben ist‹, erwiderte meine Frau. ›Und du mußt für ihre sterblichen Überreste ein Grabmal errichten lassen.‹
›In der Tat, das sind schlechte Nachrichten‹, stimmte ich überrascht zu, ›aber wir wissen alle, daß unsere Eltern irgendwann sterben müssen.‹
›Und ich habe erfahren, daß mein Vater im Heiligen Krieg gefallen ist‹, fuhr meine Frau fort. ›Und daß mein ältester Bruder an den Folgen eines Skorpionbisses gestorben ist. Und daß mein jüngster Bruder das Zeitliche gesegnet hat, als er von einem einstürzenden Gebäude begraben wurde.‹
›Das ist ja eine ganze Trauer liste !‹ meinte ich entsetzt. ›Zweifellos genügt da ein einfaches Grabmal nicht mehr. Ich werde ein ganzes Mausoleum errichten müssen, in dem du in aller Stille und Einsamkeit trauern kannst.‹
Meine Frau konnte bloß zustimmend nicken, während sie fortfuhr: ›Und außerdem verlor meine Schwester ihr Leben, als sie von einem umherstreunenden Kamel überrannt wurde, und meine beiden Nichten wurden mitten in der Wüste von einer fürchterlichen Sandlawine begraben, und meine greise Großmutter verschluckte sich an einer Dattel und starb ebenfalls!‹
Dies schienen mir nun doch ein paar Zufälle zuviel zu sein. Benutzte sie diese Taktik vielleicht nur, um mich von der Wahrheit abzulenken? Also fragte ich sie erneut: ›Doch bevor ich dir dieses Mausoleum erbaue, sag, gibt es da noch etwas, das du mir sagen willst – zum Beispiel, was du während der Stunden machst, in denen ich schlafe?‹
›Und dann sind da noch meine Cousinen zweiten Grades, die von einen Schakal gefressen wurden‹, fuhr meine Frau hastig fort, ›und meine Cousins dritten Grades, die während eines
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