Scheherazade macht Geschichten
einer Mutter hatte er nichts entgegenzusetzen.
Die Sultana jedoch blieb abrupt mitten im Zimmer stehen, als sie Scheherazade erblickte. »Und was macht sie hier?«
»Aber, liebste Mutter«, erwiderte der König entschuldigend, »sie ist doch meine Frau!«
»Als ob das ein Grund wäre!« meinte die Sultana mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Bald wirst du ihrer müde werden. Wo wir gerade davon reden, hast du in letzter Zeit fleißig mit deinen neuen Schwertern geübt?«
Allein die Erwähnung des Wortes ›Schwert‹ reichte aus, um Shahryars Hände zittern zu lassen. Scheherazade glaubte, zwischen den zahllosen Falten auf dem Gesicht der Sultana ein Lächeln ausmachen zu können.
»Warum zeigst du uns nicht einmal eines dieser wertvollen Geschenke«, fuhr die Sultana fort, »damit wir alle bewundernd einen Blick...?« Doch bevor sie den Satz beenden konnte, blähte sich eine dicke Rauchwolke zwischen ihr und ihrem Sohn auf.
»O nein, das wirst du nicht!« erklang eine gehässige Stimme aus dem Innern dieses Rauchs. »Ich bin verantwortlich für all die dreihundert Köpfungen, die es in diesen Gemächern bisher gegeben hat, und ich werde auch für diese hier verantwortlich sein! Ich werde es nicht zulassen, daß du meinen Bann brichst!«
Daraufhin klärte sich der Rauch, und vor ihnen stand die Frau in Schwarz, eben jene Dienerin, die sich um Dunyazad gekümmert und zweifellos auch den tiefen Schlaf dieses holden Kindes herbeigeführt hatte!
Doch die Sultana lachte nur über den dramatischen Auftritt der anderen. »Was glaubst du denn, wer du bist? Keine Frau kann mir meinen Sohn wegnehmen!«
Die Frau in Schwarz antwortete ebenfalls mit einem Lachen. »Ich bin keine jener schwächlichen Sterblichen. An meinem Hochzeitstag wurde ich von bösen Dschinns entführt und in eine von ihnen verwandelt.« Sie schnippte mit den Fingern, und winzige Lichtblitze zuckten durch die Luft.
Auf diese Offenbarung hin riß Shahryar weit die Augen auf und sagte nur ein Wort: »Sulima!«
Sulima. Und endlich erinnerte sich Scheherazade wieder daran, wo sie diesen Namen schon einmal gehört hatte. Ihr Vater hatte ihr die Geschichte von der bösen Dschinnin und König Shahryar erzählt. Und dies war also jene böse Hexe!
»Nett, daß du dich an meinen Namen erinnerst, o mein Geliebter«, sagte Sulima mit einem Lächeln, das Scheherazade einen kalten Schauder den Rücken hinunterjagte. »Du bist ein solch ausgezeichneter Reiter, daß ich beschlossen habe, deine Künste noch einmal in Anspruch zu nehmen.«
Das war zuviel für den König. Seine Augen verdrehten sich, und er schrie: »Reiter? Lanzen? Siegelringe?«
»Diese Frau in Schwarz erregt doch deutlich mein Mißfallen«, grummelte die Sultana. »Aber wir wissen ja, wie wir mit Frauen umzugehen haben, die unser Mißfallen erregen, nicht wahr, mein Kind?« wandte sie sich an ihren Sohn.
»Schwerter!« rief er. »Schlitzen! Hacken! Zerreißen! Verstümmeln!« Der König zitterte am ganzen Leib, und Speichel troff ihm aus dem Mund.
Die Dschinnin schüttelte traurig den Kopf. »Du mußtest ihm aber auch unbedingt diese Schwerter geben, nicht wahr?«
Die Sultana starrte sie aus blitzenden Augen an. »Was willst du damit sagen, du schamlose Erscheinung?«
»Nun«, erwiderte Sulima in ihrem hochnäsigsten Ton, »ganz sicher war es nicht mein Fluch, der ihn in einen tollwütigen Verrückten verwandelt hat!«
»Mein Sohn ein Verrückter?« kreischte die alte Frau. »Dafür wird er dir den Kopf abschlagen!«
Sie schnippte mit den Fingern, woraufhin die Tür zur Waffenkammer aufflog.
Scheherazade hielt verblüfft die Luft an, aber Sulima kicherte bloß. »Hast du derlei Zauberstückchen im Kinderhort gelernt? Mit so etwas Primitivem gebe ich mich gar nicht erst ab. Der König gehört mir!«
Sie kicherte, fixierte Shahryar mit den Augen und vollführte einen einzigen Tanzschritt, begleitet von der Andeutung einer Kopfdrehung und dem Hauch einer Handbewegung.
Der König starrte die Hexe an. »Ja, Sulima«, meinte er tonlos, »wir müssen reiten.«
»Nein!« schrie die Sultana. »Keine Frau ist gut genug, auf meinem Sohn herumzureiten!« Sie vollführte eine bestimmte Handbewegung, und alle Schubfächer und Kisten in der Waffenkammer öffneten sich, um den Blick auf die zahllosen Waffen freizugeben.
»Was ist los?« wollte der König wissen, den der ungeheure Lärm aus seinem Bann gerissen hatte. »O ja, jetzt erinnere ich mich! Schwerter!«
»Nein, Shahryar, du mußt
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