Scheherazade macht Geschichten
niederträchtiges Werk begutachtete, ›damit ist der Rache noch nicht Genüge getan. Ich muß noch etwas weitaus Böseres hexen!‹
Und so verwandelte sie die vier Inseln meines Königreiches in ein Gebirge und all die Menschen, die auf ihnen gelebt hatten, in Fische, die fortan ihr Dasein in einem See zwischen den Bergen fristen mußten. Wie Ihr seht, war sie wirklich wütend gewesen.
Und das war noch nicht das Ende ihrer Rache, denn mit marmornen Beinen konnte ich mich natürlich nicht aus dem Palast bewegen, und seitdem kommt sie jeden Tag, versetzt mir hundert Peitschenhiebe auf den Rücken und zieht mir danach ein rauhes Fell aus Kamelhaar über. Und dann... und dann... Ach, es ist viel zu fürchterlich, um es laut auszusprechen!... Und dann trägt sie mir ihre Gedichte vor!
DER SULTAN, DER EINIGE ANTWORTEN
AUF SEINE FRAGEN ERHALTEN HAT, FINDET
FÜR DIESE AUSGESPROCHEN SCHWIERIGE
SITUATION EINEN AUSWEG
Der Sultan dachte lange über das Gehörte nach, bevor er meinte: ›Ich glaube, ich kenne diese Frau. Reimt sie gerne Worte auf parat ?‹
Ein Schaudern lief durch die menschliche Hälfte des Königs. ›Dann habt Ihr sie tatsächlich kennengelernt. Dankt Allah dafür, daß Sie Euch nichts Marmornes angehext hat!‹
Der Sultan nickte und freute sich tatsächlich über sein Glück. ›Aber Ihr sagt, daß Eure Frau Euch jeden Tag heimsucht, um Euch mit der Peitsche, dem Kamelhaarfell und der Poesie zu foltern?‹
Der König bejahte und fügte noch hinzu: ›In der Tat muß sie jeden Augenblick wieder eintreffen.‹
›Dann weiß ich vielleicht einen Ausweg aus Eurer Lage‹, erwiderte der Sultan. ›Haltet durch!‹
Der Sultan verschwand hinter einer der Türen, und nur wenige Augenblicke später erschien die Frau des Königs aus der entgegengesetzten Richtung.
›Aha!‹ rief sie mit einem boshaften Lächeln, als sie den Raum betrat. ›Es ist Zeit für deine tägliche Folter. Peitsche und Fell warten schon auf dich. Und dann‹, sie legte eine dramatische Pause ein, um gehässig zu lachen, ›erst dann werde ich dich mit einem neuen Gedicht beglücken!‹
Es war allein diese letzte Bemerkung, die den König zusammenfahren und laut aufstöhnen ließ.
Seine Frau lachte jedoch nur noch lauter. ›Dies ist meine Rache. Du hast es nicht anders verdient, obwohl man natürlich berücksichtigen muß, daß mein Urteilsvermögen ein wenig unter meinem ausgesprochen bösartigen Wesen gelitten haben könnte! Hahah!« Sie hielt einen Moment inne, um nachzudenken. ›Wollen wir mal sehen. Peitsche ich dich heute von oben nach unten oder von unten nach oben?‹
Plötzlich war hinter einer der Türen ein lautes Husten zu vernehmen. Die Frau des Königs verstummte, die Peitsche fiel ihr aus der Hand, und ihre Stimme vibrierte vor Verwunderung, als sie fragte: ›Kann das sein?‹
Wie zur Antwort flog ihr ein dicker Brocken Speichel entgegen.
›Es kann niemand anderes sein!‹ rief die Frau.
Und tatsächlich tauchte in besagter Tür ein Mann auf, der sich zu gleichen Teilen in alte Lumpen und in Dreck gehüllt hatte.
›Es ist mein König des Kehrichts!‹ rief die Frau verzückt. ›Mein Sultan des Schmutzes! Du bist sogar noch dreckiger als sonst. Komm in meine Arme, o mein geifernder Geliebter. Zieh mich in den Schmutz !‹
›Was du nicht sagst‹, meinte der Mann mit leiser Stimme, die gegen die schleimigen Flüssigkeiten in seinen Lungen und in seiner Kehle ankämpfen mußte. ›Du hast mir in der letzten Zeit allerdings wenig Treue gezeigt.‹
›Wie meinst du das, o mein Fürst der Fäulnis?‹ fragte die Frau besorgt.
›Du peitschst deinen Ehemann täglich aus‹, erklärte der Mann, ›so daß seine Hilfeschreie mich den ganzen Tag und seine Schmerzensschreie die ganze Nacht über nicht zur Ruhe kommen lassen. Kein Wunder, daß ich nicht gesund werde!‹
›Daran hatte ich nicht gedacht, o mein Meister des Mülls‹, jammerte die Frau. ›Ich werde ihn nicht mehr peitschen, und ich werde ihn von seinem Fluch befreien!‹ Und damit hob sie ihre Hände, um unentzifferbare Symbole in die Luft zu malen, und im nächsten Augenblick bestand der König wieder ganz aus Fleisch und Blut.
›Ich bin geheilt!‹ rief der König. ›Gelobt sei...‹
Doch seine Frau unterbrach ihn: »Genug geschwätzt! Mach, daß du aus diesem Palast kommst, bevor ich mich gezwungen sehe, dich zu töten!‹
Und so machte der König, der einen vernünftigen Vorschlag erkennen konnte, wenn ihm einer unterbreitet
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