Scheherazade macht Geschichten
Köpfe!« lautete Omars hitzige Antwort. »Wir haben einer solchen Logik, geschweige denn einem solchen Schwert nichts, absolut nichts entgegenzusetzen.«
»Shahzaman und sein Gefolge halten sich jetzt im Hof auf«, faßte Scheherazade ihre Lage zusammen. »Und es gibt keinen Weg, wie wir ungesehen an ihnen vorbeikommen.«
»Zumindest keinen offiziellen«, stimmte Omar ihr zu.
Als er erkannte, worauf Omar hinauswollte, rief der stattliche, tapfere, ausgesprochen fähige und zweifellos auch intelligente Wachposten: »Die Geheimgänge!«
»Die Geheimgänge?« fragte Scheherazade.
Omar sah sich erst genau um, bevor er antwortete. »Der Palast ist geradezu durchlöchert mit ihnen. In einigen seiner Flügeln gibt es sogar mehr geheime Gänge als offizielle.«
»Ich kenne eine Handvoll«, stimmte der stattliche, tapfere, ausgesprochen fähige, intelligente und mit seiner Umgebung vertraute Wachposten leise zu.
»Ich kenne Dutzende!« fügte Omar hinzu. »Palasteunuchen haben für gewöhnlich sehr viel Muße.«
»Der edle König Shahzaman betritt den Palast, und er ist nicht sehr erfreut darüber, keinen offiziellen Empfang bereitet zu bekommen!« rief der Ausrufer auf dem Hof unter ihnen.
Scheherazade überlegte kurz. Als Königin war sie wahrscheinlich das ranghöchste Mitglied der königlichen Familie, das noch nicht den Verstand verloren hatte. »Vielleicht sollte ich hinuntergehen und Shahzaman begrüßen«, schlug sie vor.
»Das würde Euch sicher den Kopf kosten, bevor Ihr auch nur ein Wort hervorgebracht hättet!« erwiderte Omar. »Ein König, der von einer Frau empfangen wird, selbst wenn es eine Königin ist? Habt Ihr denn keine Ahnung von der Hofetikette?«
Scheherazade mußte zugeben, daß das einzige, was sie bisher über die Hofetikette gelernt hatte, die Tatsache war, daß man aufpassen mußte, sie nur ja nicht zu verletzen, oder man zog sich selbst eine – im wahrsten Sinne des Wortes – kapitale Verletzung zu.
»Gibt es denn keine Möglichkeit, wie wir das Abschlachten zahlloser Palastbewohner verhindern können?« rief sie verzweifelt. »Vielleicht könnte man Shahzaman, bevor er zu seinem Schwert greift, die Probleme hier im Palast direkt und ohne Umschweife mitteilen?«
»Es gibt hier viel zu wenig, was man ohne Umschweife mitteilen kann«, entgegnete Omar nüchtern. »Warum, glaubt Ihr, rezitiere ich so oft Gedichte?«
»Ich werde gehen«, meinte der tapfere, intelligente, stattliche, mit seiner Umgebung vertraute und ausgesprochen fähige Wachposten. »Ich trage eine Uniform, die mir eine gewisse Autorität verleiht. Das verschafft mir vielleicht Zeit genug, einen ganzen Satz hervorzubringen, bevor ich meinen Kopf verliere.«
»Wollt Ihr das wirklich tun?« fragte Scheherazade. Sie konnte sich mit dem Gedanken, ihren neugewonnenen Freund zu verlieren, nicht anfreunden.
»Es wird Euch ein wenig Zeit für Eure Flucht verschaffen, o edle Königin«, erwiderte der stattliche, tapfere, ausgesprochen fähige, intelligente, mit seiner Umgebung vertraute und sich bis zum letzten aufopfernde Wachposten.
»König Shahzaman schickt sich nun an, die Treppen zu den Gemächern seines königlichen Bruders zu ersteigen«, verkündete der Ausrufer von unten, »und er ist alles andere als erfreut darüber, daß jeder ihm aus dem Weg zu gehen scheint!«
»Ich muß gehen!« Der Wachposten, der all jene außergewöhnlichen Eigenschaften hatte, verbeugte sich höflich vor Scheherazade und lief dann in Richtung der Treppen dem königlichen Besuch entgegen.
»Wie war das mit den Geheimgängen?« fragte Scheherazade.
»Es gibt sogar einen hier hinter diesem Vorhang«, antwortete Omar und deutete mit dem Kinn auf einen schweren Wandteppich zu ihrer Rechten. Rasch eilte er zu dem kunstvoll gefertigten Gewebe, zog es zur Seite und drückte auf eine bestimmte Stelle der Wand, die mit reichverzierten Kacheln getäfelt war. Augenblicklich öffnete sich ein zwei Meter hoher und anderthalb Meter breiter Durchgang.
»Folgt mir«, befahl Omar.
»Der König hat soeben das zweite Stockwerk erreicht und wird jetzt langsam echt sauer, daß ihn noch niemand...« Der Ausrufer hielt inne. »Wer seid Ihr?«
Hassan hatte den König also erreicht. Scheherazade zögerte, wartete darauf, das etwas geschehen würde.
»Wir müssen jetzt gehen!« beharrte Omar.
Der dicke Eunuch hatte recht. Das Opfer des Wachpostens würde umsonst sein, wenn auch sie beide noch den Tod fänden.
Also folgte Scheherazade Omar in die
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