Scheidung auf Griechisch
Er muss dich fürchterlich vermisst haben”, fügte sie mit sichtlicher Überwindung hinzu.
“Ich ihn auch”, gab Isobel zu.
“Das ist mir inzwischen klar”, erwiderte Thea. “Deshalb sollten wir die alten Streitigkeiten nach Möglichkeit vergessen und versuchen, uns von jetzt an zu vertragen.”
Ihre vorsichtige Formulierung ließ erahnen, wie schwer Thea dieser Schritt fiel. Doch das konnte Isobel ihr kaum verübeln. Dafür wusste sie zu gut, wie stolz ihre Schwiegermutter war.
“Ich war damals viel zu jung, um zu begreifen, was geschah”, gestand sie. “Du darfst nicht vergessen, dass meine Mutter als Kassiererin in einer Bank arbeitet. Euer Lebensstil war mir völlig unbekannt, und ich war viel zu dickköpfig, um mir von dir oder sonst jemandem helfen zu lassen.” Endlich fand sie auch den Mut, ihre Schwiegermutter anzusehen. “Dieses Mal wird alles anders”, versprach sie.
Anstatt etwas zu erwidern, nickte Thea nur. Sie war sich mit ihr darin einig, dass sie einen Neuanfang wagen konnten. Was daraus werden würde, musste die Zukunft zeigen.
Sie hatte sich schon umgedreht, um ins Haus zurückzugehen, als sie unvermittelt noch einmal stehen blieb. “Dass du damals dein Kind verloren hast, tut mir unendlich leid”, versicherte sie. “Ich wünschte, ich wäre in der Lage gewesen, dir in deiner schwersten Stunde eine Freundin zu sein.”
Die Worte ihrer Schwiegermutter rührten Isobel so sehr, dass sie ihr mit Tränen in den Augen ins Gesicht blickte.
“Was ist los?”, erkundigte sich Leandros, der unbemerkt auf die Terrasse zurückgekommen war. “Stimmt etwas nicht?”
“Im Gegenteil”, erwiderte sie. “Sag mir lieber, wie es Silvia geht.”
“Blendend”, erklärte er. “Sie hat so ausgelassen getanzt wie ein junges Mädchen, und Theron hat mit ihr geflirtet, als wäre er zwanzig. Dabei ist er siebzig.”
Spontan umarmte Isobel ihn und schmiegte sich an ihn. “Versprich mir, dass du mich nie wieder gehen lässt.”
“Ich verspreche es dir.”
Kurz darauf saßen sie wieder im Auto und waren auf dem Weg nach Hause. Leandros und Isobel sprachen kaum ein Wort. Dafür sprudelte Silvia vor Begeisterung förmlich über und erzählte freimütig von den Plänen, die Theron und sie für den nächsten Tag hatten.
“Offenbar hat Silvia einem der reichsten Männer Griechenlands den Kopf verdreht”, sagte Isobel zu Leandros, als sie endlich in ihrem Schlafzimmer waren und sich für die Nacht fertig machten.
“Sie scheint ihrer Tochter nacheifern zu wollen”, erwiderte er und beobachtete voller Vorfreude, wie seine Frau das letzte Kleidungsstück auszog. Nun trug sie nur noch den Schmuck. “Ob wir wohl genauso impulsiv sind wie die beiden, wenn ich siebzig bin? Immerhin bist du dann auch schon …”
“Weißt du nicht, dass das Alter einer Frau tabu ist?”, unterbrach sie ihn.
Für die kommenden Stunden war es das einzige Tabu, an das sie sich hielten. Doch auch wenn sie sich mit der vertrauten Hingabe und Leidenschaft liebten, war diese Nacht in einer Hinsicht anders als sonst. Mit jeder Berührung, die sie sich schenkten, schienen sie den Schwur erneuern zu wollen, den sie vor vier Jahren abgelegt hatten. Und als sie in der Dämmerung erwachten, waren sie von dem Vertrauen darauf beseelt, dass ihre Liebe stark genug war, um in Zukunft auch die schwerste Prüfung zu bestehen.
Zum Frühstück fanden sie sich zu zweit auf der Terrasse wieder. Silvia hatte sich eine Tasse Tee aufs Zimmer bringen lassen, weil sie sich auf ihre Verabredung mit Theron vorbereiten wollte. Als er schließlich kam, um sie abzuholen, konnte er sie nur mühsam dazu überreden, den Rollstuhl mitzunehmen. Isobel war ihm sehr dankbar dafür und scheute sich nicht, es ihm mit einem herzlichen Lächeln zu verstehen zu geben.
So schwer es ihm fiel, musste auch Leandros irgendwann aufbrechen, um sich wenigstens für einige Stunden um die Firma zu kümmern. Nachdem sie in aller Ruhe zu Ende gefrühstückt hatte, überlegte Isobel, was sie bis zu seiner Rückkehr machen sollte. Schließlich kam sie auf die Idee, in die Stadt zu fahren und sich neu einzukleiden. Seit Tagen trug sie die olivgrüne Hose, die er immer als “Kampfanzug” bezeichnete. Doch der Kampf war beendet, und da sich in ihrem Gepäck nichts anderes fand, würde sie sich etwas Neues besorgen müssen.
Ehe sie ihren Entschluss in die Tat umsetzen konnte, kam Allise und händigte ihr einen Briefumschlag aus, den gerade ein Bote gebracht hatte. Auf
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