Scheinbar verliebt
Ziegelsteingebäude. Golden Meadows Seniorenheim. Das war der Ort, an dem sie mit Alex zu Mittag aß?
Sie sprang aus dem Auto und ging den gewundenen Weg zum Haupteingang hinauf. Gekicher empfing sie und Lucy war klar, dass sie nur den albernen Frauenstimmen folgen musste, um Alex zu finden. Mit seinem Charme bezirzte er auch jede Achtzigjährige.
Heute trug Lucy Hosen und ein passendes Jackett von Macy’s , das Clare ausgesucht hatte. Nach der Verlobungsfeier hatte die Beschützerin aller Etikette darauf bestanden, dass Lucy ihre Schwäche für Retrokleidung hintenanstellte und sich konservativer kleidete. Nur wenn sie zu Hause war, durfte sie anziehen, was sie wollte. Hinter ihrer Zimmertür hatte Lucy allerdings heimlich aufbegehrt und war noch immer stolz auf das Ergebnis – regenbogenfarbene Unterwäsche. Doch wenn nicht die Hose riss oder etwas Ähnliches passierte, würde Clare nie von diesem Akt der Rebellion erfahren.
Sie fand Alex in der Cafeteria, umgeben von einer Handvoll weißhaariger Damen und drei Herren. Sein Haar saß wie immer in perfekter Unordnung und erinnerte mehr an einen respektierten Rockstar als an einen Politiker. Er sah jung und hip aus, zwei Adjektive, die sie nie gebraucht hätte, um Matt zu beschreiben.
Als spürte er ihre Nähe, sah Alex auf. Er lächelte. Und als seine Schokoladenaugen auf ihr ruhten, löste sich etwas in ihr auf. Vielleicht ihr Herz. Oder ihr Verstand.
Sie würde sich nicht in ihn verlieben. In ein paar Wochen hätten sie es hinter sich. Sie würden sich die Hände schütteln und jeder würde seiner Wege gehen – er mit einem Sitz im Kongress und sie mit der Sicherheit für Saving Grace . So fühlte sich einfach jede Frau in Alex’ Gegenwart. Die Sinclairanziehungskraft war wie eine Droge. Nur ein einziges Mal probieren und schon überflutete sie das Nervensystem und pulsierte im Blut.
Aber sie konnte ihm widerstehen. Sie war eine kluge Frau. Sie würde sich nicht von ihren Hormonen steuern lassen.
Oder diesem umwerfenden Lächeln.
„Lucy, komm zu uns.“ Alex verließ seine Groupies, um ihr entgegenzugehen. Als er bei ihr ankam, beugte er sich herab und presste ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen, der jedoch ihre Knie erzittern ließ.
Jetzt muss ich die Oberhand gewinnen.
Er lächelte, aber seine Stirn legte sich in Falten. „Du siehst aus, als hättest du gerade schlechtes Sushi gegessen.“
„Ich verarbeite nur den Kuss.“ Sie tätschelte seinen Arm. „Wolltest du mir zeigen, wie du es in der Highschool gemacht hast?“
Sein Lächeln war tödlich. „Fang hier keine Diskussion an, die du nicht wirklich beenden willst.“
Sie standen inmitten eines Seniorenheimes. Lucy wusste, dass sie sicher war. „Vielleicht hatten die Mädels damals noch nicht so hohe Ansprüche.“
Er trat so nah an sie heran, dass Lucy seinen Atem spüren konnte. „Du. Ich. Heute Abend.“ Lucy bekam eine Gänsehaut. „Ich hol dich um sieben ab. Keine Clare. Kein Julian. Nur wir beide und ein Dinner bei Kerzenlicht.“ Seine Augen wanderten zu ihren Lippen. „Dann zeige ich dir, wie es richtig geht.“ Mit diesen Worten wandte er sich auf dem Absatz um und ging zurück zu seiner Fangemeinde.
Lucy stand alleine neben einem Tisch, auf dem Plätzchen und Früchtepunsch angerichtet waren. Ihr Gehirn schien wie gelähmt. „Klar“, brachte sie leise murmelnd hervor. „Ich kann’s kaum erwarten.“
Mit zitternden Händen schüttete sie sich einen Punsch ein und trank ihn in einem Zug aus.
„Ist schon in Ordnung, Liebes“, sagte eine Frau und streckte ihr ein zweites Glas Punsch entgegen. Ihr T-Shirt, das mit einem Bild von Alex bedruckt war, hatte sie ordentlich in ihre türkische Hose gesteckt. „Ich führe auch manchmal Selbstgespräche.“
„Oh.“ Lucy umklammerte ihr Glas und lächelte unsicher. „Ich habe nicht –“
„Schwester Hedley gibt mir dann immer diese violetten Tabletten.“ Sie zwinkerte wissend. „Ich würde ja mit Ihnen teilen, aber dann wirkt es nicht mehr so gut.“
Lucy trat an Alex’ Seite, gerade als seine Kampagnenmanagerin sich verabschiedete.
„Wir müssen noch etwas basteln, bevor wir Mittagessen können.“ Alex streckte ihr eine Handvoll Pfeifenputzer entgegen.
„Diese Frau dort hinten hat mir gerade verschreibungspflichtige Medikamente angeboten und ich bin sicher, dass der Punsch mit einem Betäubungsmittel versetzt ist.“
„Es ist nur ein Abführmittel.“ Er sah auf sein Handy und schrieb eine kurze Nachricht,
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