Scheintot
er.
»Und was ist mit dir?«
»Ich komme auch bald nach.« Er beugte sich zu ihr hinüber, um ihr einen Kuss zu geben. »Ich liebe dich«, sagte er und stieg aus.
Sie sah ihm nach, als er zu seinem eigenen Wagen ging, den er ein paar Plätze weiter abgestellt hatte, und beobachtete, wie er in die Hosentasche griff und nach seinen Schlüsseln zu suchen schien. Sie kannte ihren Mann gut genug, um die Anspannung in seinen Schultern wahrzunehmen, um zu registrieren, wie er sich noch einmal rasch auf dem Parkplatz umschaute. Sie hatte es noch nicht oft erlebt, dass ihn etwas aus der Fassung brachte, und ihn jetzt so nervös zu sehen, erfüllte sie mit Sorge. Er ließ den Motor an und wartete dann, bis sie losgefahren war.
Erst als sie auf die Straße einbog, setzte er selbst aus der Parklücke zurück. Ein paar Straßenblocks lang blieb er direkt hinter ihr. Er will sehen, ob mir jemand folgt, dachte sie. Auch nachdem er schließlich abgebogen war, ertappte sie sich noch dabei, wie sie immer wieder in den Rückspiegel schaute, obwohl sie sich eigentlich nicht vorstellen konnte, warum jemand sie verfolgen sollte. Was wusste sie überhaupt? Nichts, was Moore und alle anderen in der Mordkommission nicht auch schon wussten. Bis auf die Erinnerung an einen geflüsterten Namen.
Mila.
Wer ist
Mila?
Sie warf einen Blick über die Schulter auf Moores Umschlag, den sie auf den Rücksitz geworfen hatte. Der Gedanke, sich diese Tatortfotos noch einmal vorzunehmen, war ihr alles andere als angenehm. Aber ich muss herausfinden, was hinter diesen Gräueln steckt, dachte sie. Ich muss wissen, was in Ashburn passiert ist.
25
Maura Isles’ Arme waren bis zu den Ellbogen in Blut getaucht. Gabriel blieb im Vorraum stehen und sah durch die Glasscheibe zu, wie Maura in die Bauchhöhle griff, die verschlungenen Gedärme heraushob und sie in eine Schüssel klatschen ließ. Er las keinen Ekel in ihrer Miene, als sie in dem Haufen Fleisch herumstocherte, nur die ruhige Konzentration einer Wissenschaftlerin auf der Suche nach ungewöhnlichen Details. Schließlich übergab sie Yoshima die Schüssel und wollte gerade wieder nach dem Skalpell greifen, als sie Gabriel bemerkte.
»Ich brauche noch zwanzig Minuten«, sagte sie. »Du kannst reinkommen, wenn du möchtest.«
Er zog Überschuhe und einen Kittel an und betrat den Sektionssaal. Obwohl er es vermied, die Leiche auf dem Tisch anzusehen, war sie doch zwischen ihnen und unmöglich zu ignorieren. Eine Frau mit bis aufs Skelett abgemagerten Gliedmaßen, deren Haut wie loses Seidenpapier über den hervorstehenden Beckenknochen hing.
»Sie litt schon länger an Anorexie. Wurde in ihrer Wohnung tot aufgefunden«, beantwortete Maura seine unausgesprochene Frage.
»Sie ist noch so jung.«
»Siebenundzwanzig. Das Notarztteam sagte, in ihrem Kühlschrank hätte sie nur einen Kopf Salat und ein paar Dosen Diätcola gehabt. Verhungert im Land des Überflusses.« Maura griff erneut in die Bauchhöhle. Yoshima war inzwischen ans Kopfende getreten, um die Kopfhaut aufzuschneiden. Wie immer arbeiteten sie fast schweigend; jeder kannte die Bedürfnisse des anderen so gut, dass Worte überflüssig schienen.
»Du wolltest mir etwas erzählen?«, sagte Gabriel.
Maura hielt inne. In der hohlen Hand hielt sie eine einzelne Niere, eine schwarze, gallertartige Masse. Sie und Yoshima wechselten einen nervösen Blick. Gleich darauf schaltete Yoshima die Knochensäge ein, und das schrille Kreischen übertönte beinahe Mauras Antwort.
»Nicht hier«, sagte sie leise. »Noch nicht.«
Yoshima löste das Schädeldach ab.
Während Maura sich vorbeugte, um das Gehirn herauszulösen, fragte sie mit ganz normaler, fröhlicher Stimme: »Und, wie fühlt man sich so als Papa?«
»Es übertrifft alle meine Erwartungen.«
»Habt ihr euch jetzt auf Regina geeinigt?«
»Mama Rizzoli hat uns erfolgreich beschwatzt.«
»Also, ich finde den Namen schön.« Maura legte das Gehirn in ein Gefäß mit Formalin. »Ein würdevoller Name.«
»Jane hat ihn schon zu ›Reggie‹ abgekürzt.«
»Nicht ganz so würdevoll.« Maura streifte ihre Handschuhe ab und sah Yoshima an. »Ich brauche ein bisschen frische Luft«, sagte sie. »Machen wir eine Pause.«
Sie zogen ihre Kittel aus, und Maura führte Gabriel aus dem Sektionssaal hinaus in den Anlieferungsbereich. Erst nachdem sie das Gebäude verlassen hatten und auf dem Parkplatz standen, ergriff sie wieder das Wort.
»Tut mir Leid, dass ich so um den heißen Brei
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