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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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schwerfällig auf dem Stuhl im Zeugenstand niederließ. Sie hatten sie von Anfang an angestarrt, von dem Moment an, als sie in den Gerichtssaal gewatschelt war, mit ihren geschwollenen Knöcheln und dem dicken Bauch, der sich unter dem weiten Umstandskleid wölbte. Jetzt rutschte sie auf dem Stuhl herum und versuchte, eine bequeme Position zu finden, versuchte, wenigstens den Anschein von Autorität auszustrahlen, doch es war warm im Saal, und sie konnte schon spüren, wie ihr die Schweißperlen auf die Stirn traten. Eine schwitzende, zappelige, hochschwangere Polizistin. Doch, doch, eine sehr überzeugende Autoritätsperson.
    Gary Spurlock, der stellvertretende Staatsanwalt für Suffolk County, erhob sich, um die Zeugenvernehmung zu beginnen. Jane kannte ihn als ruhigen und methodischen Vertreter der Anklage, und sie sah dieser ersten Befragung mit Gelassenheit entgegen. Sie hielt den Blick auf Spurlock gerichtet und vermied jeden Augenkontakt mit dem Angeklagten Billy Wayne Rollo, der auf dem Stuhl neben seiner Anwältin lümmelte und Jane anstarrte. Sie wusste, dass Rollo sie mit seinem bösen Blick einzuschüchtern versuchte. Das Bullenmädel aus dem Konzept bringen, sie verwirren. Jane hatte schon genug Arschlöcher wie ihn kennen gelernt, und sein Versuch, sie niederzustarren, war nichts Neues für sie. Nichts als die letzte Zuflucht eines Versagers.
    »Würden Sie bitte dem Gericht Ihren Namen nennen und den Nachnamen buchstabieren?«, fuhr Spurlock fort.
    »Detective Jane Rizzoli. R-I-Z-Z-O-L-I.«
    »Und Ihr Beruf?«
    »Ich bin Detective bei der Mordkommission des Boston Police Department.«
    »Könnten Sie uns etwas zu Ihrer Ausbildung und Ihrem beruflichen Werdegang sagen?«
    Sie änderte erneut ihre Sitzposition; von dem harten Stuhl tat ihr allmählich der Rücken weh. »Ich habe mein Studium am Massachusetts Bay Community College mit dem Diplom in Strafjustiz abgeschlossen. Nach meiner Ausbildung an der Polizeiakademie des Boston PD wurde ich zunächst als Streifenpolizistin in der Back Bay sowie in Dorchester eingesetzt.« Sie zuckte zusammen, als ihr Baby ihr einen Tritt versetzte.
Ruhe da drinnen. Mama sagt gerade vor Gericht aus.
Spurlock wartete immer noch auf den Rest ihrer Antwort. Sie fuhr fort. »Ich habe zwei Jahre lang als Detective im Drogen- und Sittendezernat gearbeitet. Vor zweieinhalb Jahren bin ich dann zur Mordkommission gewechselt, wo ich seither meinen Dienst versehe.«
    »Vielen Dank, Detective. Nun würde ich Sie gerne über die Ereignisse am dritten Februar dieses Jahres befragen. An diesem Tag suchten Sie in Ausübung Ihres Dienstes eine Wohnung in Roxbury auf. Richtig?«
    »Ja, Sir.«
    »Die Adresse war Malcolm X Boulevard Nummer 4280, richtig?«
    »Ja. Das ist ein Wohnblock.«
    »Schildern Sie uns bitte diesen Besuch.«
    »Gegen vierzehn Uhr dreißig trafen wir – mein Partner Detective Barry Frost und ich – an der besagten Adresse ein, um einen Mieter in Apartment 2-B zu befragen.«
    »Worum ging es dabei?«
    »Es ging um eine Mordermittlung. Die Person in 2-B war mit dem Opfer befreundet.«
    »Er – oder sie – gehörte nicht zum Kreis der Verdächtigen in diesem speziellen Fall?«
    »Nein, Sir. Wir hatten sie nicht im Verdacht.«
    »Und was passierte dann?«
    »Wir hatten gerade an die Tür von 2-B geklopft, als wir eine Frau schreien hörten. Das Geschrei kam aus einer Wohnung auf demselben Flur gegenüber. Aus Nummer 2-E.«
    »Können Sie uns die Schreie beschreiben?«
    »Ich würde sie als die Schreie eines Menschen in höchster Not beschreiben. In großer Angst. Und dann hörten wir ein lautes Krachen, wie von umstürzenden Möbeln. Oder wie von einem Menschen, der zu Boden gestoßen wird.«
    »Einspruch!« Die Strafverteidigerin, eine hochgewachsene blonde Frau, sprang auf. »Reine Spekulation. Sie konnte das gar nicht sehen, weil sie nicht in der Wohnung war.«
    »Stattgegeben«, sagte der Richter. »Detective Rizzoli, bitte verzichten Sie auf Mutmaßungen über Ereignisse, die Sie unmöglich mit eigenen Augen beobachten konnten.«
    Auch wenn es gar keine bloße
»
Mutmaßung
«
war? Weil nämlich genau das passiert ist. Billy Wayne Rollo hat seiner
Freundin den Kopf auf den Boden geschlagen.
    Jane schluckte ihre Verärgerung hinunter und korrigierte ihre Aussage. »Wir hörten ein lautes Krachen aus der Wohnung.«
    »Und was haben Sie dann getan?«
    »Detective Frost und ich klopften sofort an der Tür von Apartment 2-E.«
    »Haben Sie sich als Polizeibeamte zu

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