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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Sie damit sagen, dass es hier ausschließlich um die nationale Sicherheit geht?« Jane konnte die Skepsis in ihrer Stimme nicht verbergen.
    »Das ist nur ein Teil des Problems. Die meisten Amerikaner gehen wie selbstverständlich davon aus, dass wir nach dem 11. September unsere Grenzen dichtgemacht haben, dass wir der illegalen Einwanderung einen Riegel vorgeschoben haben. Das ist keineswegs der Fall. Im schwarzen Grenzverkehr zwischen Mexiko und den USA geht es immer noch zu wie auf einem viel befahrenen Highway. Wir haben hunderte von Meilen unbewachter Küsten. Eine Grenze zu Kanada, an der es kaum Patrouillen gibt. Und die Menschenschmuggler kennen sämtliche Schleichwege, sämtliche Tricks. Mädchen wie diese ins Land zu schaffen, ist ein Kinderspiel. Und wenn sie einmal hier sind, ist es auch kein Problem, sie für sich arbeiten zu lassen.« Glasser stellte ihre Tasse auf dem Couchtisch ab. Sie beugte sich vor; ihre Augen waren wie poliertes Ebenholz. »Wissen Sie, wie viele unfreiwillige Sexarbeiterinnen es in diesem Land gibt? In unserem angeblich so zivilisierten Land? Mindestens fünfzigtausend. Und ich spreche nicht von Prostituierten. Das sind Sklavinnen, die gegen ihren Willen Freier bedienen müssen. Tausende von Mädchen, die in die USA verschleppt werden, wo sie einfach verschwinden. Sie werden zu unsichtbaren Frauen. Und doch sind sie überall um uns herum, in den großen Metropolen wie in den Kleinstädten. Versteckt in Bordellen, eingesperrt in Apartments. Und kaum jemand weiß überhaupt von ihrer Existenz.«
    Jane erinnerte sich an die Gitter vor den Fenstern und dachte an die isolierte Lage des Hauses. Kein Wunder, dass es sie an ein Gefängnis erinnert hatte.
Denn genau das war es.
    »Diese Mädchen haben große Angst davor, mit den Behörden zu kooperieren. Die Konsequenzen, wenn sie von ihren Zuhältern erwischt werden, sind zu furchtbar. Und selbst wenn es ihnen gelingt zu fliehen und in ihre Heimat zurückzukehren, können sie dort immer noch aufgespürt werden. Und dann wäre es besser für sie, wenn sie tot wären.« Sie machte eine Pause. »Sie haben den Obduktionsbericht über das fünfte Opfer gesehen? Die ältere Frau?«
    Jane schluckte. »Ja.«
    »Was mit ihr passiert ist, war eine sehr deutliche Botschaft.
Wer uns in die Quere kommt, wird genauso enden wie diese Frau.
Wir wissen nicht, womit sie diese Leute so verärgert hat, welche Grenze sie überschritten hat. Vielleicht hatte sie Geld eingesteckt, das ihr nicht gehörte. Vielleicht hatte sie Privatgeschäfte gemacht. Offensichtlich war sie die Aufseherin in diesem Haus, eine Autoritätsperson – aber das hat sie nicht retten können. Was immer sie falsch gemacht hat, sie hat dafür bezahlt. Und die Mädchen mit ihr.«
    »Bei Ihren Ermittlungen geht es also gar nicht um Terrorismus«, sagte Gabriel.
    »Was soll denn der Terrorismus mit alldem zu tun haben?«, fragte Barsanti.
    »Illegale Einwanderer aus Osteuropa. Eine möglicher Zusammenhang mit dem Tschetschenienkonflikt.«
    »Diese Frauen wurden aus rein kommerziellen Motiven ins Land geschafft, aus keinem anderen Grund.«
    Glasser sah Gabriel stirnrunzelnd an. »Wer hat Ihnen gegenüber von Terrorismus gesprochen?«
    »Senator Conway. Und auch der stellvertretende Direktor des Nationalen Geheimdienstes.«
    »David Silver?«
    »Er ist im Zusammenhang mit der Geiselnahme in der Klinik von Washington nach Boston geflogen. Zu diesem Zeitpunkt glaubte seine Behörde, es genau damit zu tun zu haben: mit einer Bedrohung durch tschetschenische Terroristen.«
    Glasser schnaubte verächtlich. »David Silver ist auf Terroristen fixiert, Agent Dean. Er sieht sie an allen Ecken und Enden.«
    »Er sagte, die Sorge werde von den höchsten Stellen geteilt. Deswegen habe Direktor Wynne ihn geschickt.«
    »Der DNI wird dafür bezahlt, in diese Richtung zu denken. Das ist seine Existenzberechtigung. Für diese Leute ist
alles
Terrorismus, und zwar
immer.
«
    »Senator Conway schien deswegen auch beunruhigt zu sein.«
    »Sie trauen dem Senator?«
    »Sollte ich das etwa nicht?«
    Barsanti schaltete sich ein. »Sie hatten schon früher mit Conway zu tun, nicht wahr?«
    »Senator Conway gehört dem Geheimdienstausschuss an. Wir sind uns im Rahmen meiner Tätigkeit in Bosnien ein paarmal begegnet. Da ging es um die Aufklärung von Kriegsverbrechen.«
    »Aber wie gut kennen Sie ihn
wirklich,
Agent Dean?«
    »Sie wollen andeuten, dass ich ihn nicht gut genug kenne.«
    »Er ist inzwischen in der

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