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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Türöffner betätigte.
    Inzwischen war die Milch warm. Jane wollte Regina den Sauger in den Mund stecken, aber ihre Tochter wischte ihn einfach mit dem Händchen weg, als ekelte sie sich davor. Was willst du denn, Schätzchen?, dachte sie frustriert, während sie mit ihrer Tochter wieder ins Wohnzimmer ging. Wenn du mir doch bloß sagen könntest, was du willst!
    Sie öffnete die Tür, um ihre Mutter hereinzulassen.
    Aber es war nicht Angela, die draußen stand.

34
    Wortlos schob das Mädchen sich an Jane vorbei in die Wohnung und schloss die Tür hinter sich ab. Dann lief sie zu den Fenstern und zog rasch hintereinander alle Jalousien zu, während Jane nur verdutzt zuschauen konnte.
    »Was soll das denn werden?«
    Die ungebetene Besucherin wirbelte zu ihr herum und hob den Finger an die Lippen. Sie war klein und zierlich, mehr Kind als Frau, und ihr dürrer Körper ging in ihrem weiten, unförmigen Sweatshirt fast unter. Die Hände, die aus den zerschlissenen Ärmeln hervorschauten, hatten Knochen so zart wie die eines Vogels, und die prall gefüllte Tragetasche, die das Mädchen mit sich schleppte, schien ihre schmächtige Schulter nach unten zu ziehen. Ihre roten Haare waren zu einer schiefen und unregelmäßigen Ponyfrisur geschnitten, als hätte sie selbst die Schere geführt und blind daran herumgeschnippelt. Ihre Augen waren von einem blassen, unwirklichen Grau, transparent wie Glas. Es war das Gesicht eines wilden, ausgehungerten Tiers, mit hohen, spitzen Wangenknochen und einem Blick, der auf der Suche nach verborgenen Fallen unruhig im Zimmer umherzuckte.
    »Mila?«, sagte Jane.
    Wieder schnellte der Finger des Mädchens zum Mund hoch. Die Miene, mit der sie Jane ansah, sprach eine deutliche Sprache.
    Sei still. Sei auf der Hut.
    Sogar Regina schien zu verstehen. Das Baby verstummte plötzlich und lag reglos in Janes Armen, die Augen weit aufgerissen und wachsam.
    »Hier sind Sie sicher«, sagte Jane.
    »Ich bin nirgendwo sicher.«
    »Lassen Sie mich meine Freunde anrufen. Wir sorgen dafür, dass Sie so schnell wie möglich Polizeischutz bekommen.«
    Mila schüttelte den Kopf.
    »Ich kenne diese Männer. Ich arbeite mit ihnen zusammen.« Jane griff nach dem Telefon.
    Das Mädchen machte einen Satz auf sie zu und schlug die Hand auf den Hörer. »
Keine Polizei!
«
    Jane starrte in die Augen des Mädchens, in denen jetzt Panik loderte. »Okay«, murmelte sie und trat vom Telefon zurück. »Ich bin auch Polizistin. Wieso trauen Sie mir?«
    Milas Blick richtete sich auf Regina, und Jane dachte: Deshalb hat sie es riskiert, mich aufzusuchen. Sie weiß, dass ich eine Mutter bin. Das ändert irgendwie alles.
    »Ich weiß, warum Sie auf der Flucht sind«, sagte Jane. »Ich weiß Bescheid über Ashburn.«
    Mila ging zur Couch und sank auf die Kissen nieder. Plötzlich wirkte sie noch kleiner, schien unter Janes Augen dahinzuschwinden. Sie zog die Schultern ein und stützte den Kopf in die Hände, als sei sie zu erschöpft, um ihn noch länger hochzuhalten. »Ich bin so müde«, flüsterte sie.
    Jane trat näher, bis sie direkt vor dem Mädchen stand und auf ihren gesenkten Kopf, das unsauber geschnittene Haar hinabblickte. »Sie haben die Mörder gesehen. Helfen Sie uns, sie zu identifizieren.«
    Mila sah mit ihren eingesunkenen, gehetzten Augen zu ihr auf. »Ich werde nicht mehr lange genug leben.«
    Jane ließ sich in die Hocke fallen, bis ihre Augen auf gleicher Höhe mit denen des Mädchens waren. Auch Regina starrte Mila an, fasziniert von dieser exotischen, unbekannten Kreatur. »Warum sind Sie hier, Mila? Was wollen Sie von mir?«
    Mila griff in die schmutzige Tragetasche, die sie mitgebracht hatte, und wühlte in Bergen von zerknitterten Kleidern, Schokoriegeln und zusammengeknüllten Papiertaschentüchern herum. Schließlich zog sie eine Videokassette hervor und hielt sie Jane hin.
    »Was ist das?«
    »Ich habe Angst, sie noch länger zu behalten. Ich gebe sie Ihnen. Sagen Sie ihnen, dass es außer der keine mehr gibt – das ist die letzte Kopie.«
    »Wo haben Sie sie her?«
    »
Nehmen
Sie sie einfach!« Sie hielt die Kassette mit ausgestrecktem Arm, als wäre sie vergiftet, als wollte sie sich das Ding so weit wie möglich vom Leib halten. Als Jane sie ihr endlich abnahm, seufzte sie erleichtert auf.
    Jane setzte Regina in ihre Babytrage und ging zum Fernseher. Sie schob die Kassette in den Videorekorder, nahm die Fernbedienung und drückte auf PLAY.
    Auf dem Bildschirm tauchte ein Messingbett auf, ein

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