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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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würde es nicht lange dauern, bis er herausfand, dass Jane eine der Geiseln war.
    »Ich weiß es nicht«, log sie, und es fiel ihr schwer, ihm dabei in die Augen zu sehen. Er musterte sie so eindringlich, dass sie sich schließlich abwenden musste. Sie setzte sich auf die Couch.
    »Wenn es irgendetwas gibt, was ich wissen muss«, sagte er, »dann hoffe ich, dass Sie es mir sagen werden. Ich wüsste gerne vorher, worauf ich mich da einlasse.«
    »Inzwischen wissen Sie vermutlich genauso viel wie ich.«
    Er setzte sich in den Sessel gegenüber von ihr, und sein Blick war so direkt, dass sie sich vorkam wie ein aufgespießter Schmetterling. »Was wollen diese Leute?«
    »Was hat Barsanti Ihnen gesagt?«
    »Er hat mir von ihrem Angebot erzählt. Dass sie versprochen hätten, zwei Geiseln freizulassen. Dann soll ich mit einem Kameramann da reingehen und mit diesem Kerl reden, und anschließend würden sie noch einmal zwei Geiseln freilassen. Das ist der Deal. Was danach passiert, darüber kann man nur spekulieren.«
    Dieser Mann könnte Janes Leben retten, dachte sie. Wenn er sich in die Höhle des Löwen wagte, könnte Jane eine der zwei Geiseln sein, die gehen durften.
Ich würde es tun. Aber ich kann von diesem Mann nicht verlangen, dass er sein Leben aufs Spiel setzt, auch nicht für Jane.
    »Man bekommt nicht jeden Tag die Chance geboten, den Helden zu spielen«, sagte er. »Es ist in gewisser Weise eine einmalige Gelegenheit. Viele Journalisten würden sich darum reißen.«
    Sie lachte. »Sehr verlockend. Buchvertrag, Fernsehfilm der Woche. Aber gleich sein Leben riskieren für ein bisschen Ruhm und Reichtum?«
    »Na ja, da draußen steht mein rostiger alter Toyota, und ich muss noch neunundzwanzig Jahre lang meine Hypothek abstottern – da klingt ein bisschen Ruhm und Reichtum gar nicht so übel.«
    »Falls Sie lange genug leben, um sich daran erfreuen zu können.«
    »Deswegen wollte ich ja mit Ihnen reden. Sie haben diese Frau erlebt. Sie wissen, mit was für Leuten wir es zu tun haben. Sind sie rationalen Argumenten zugänglich? Werden sie ihren Teil der Abmachung einhalten? Werden sie mich gehen lassen, wenn das Interview zu Ende ist?«
    »Das kann ich nicht vorhersagen.«
    »Das ist keine sehr hilfreiche Antwort.«
    »Ich weigere mich, die Verantwortung für das zu übernehmen, was mit Ihnen passiert. Ich kann nicht vorhersagen, was diese Leute tun werden. Ich weiß ja nicht einmal, was sie wollen.«
    Er seufzte. »Ich habe schon befürchtet, dass Sie das sagen würden.«
    »Jetzt habe ich mal eine Frage an Sie. Ich nehme an, Sie kennen die Antwort.«
    »Und die Frage lautet?«
    »Warum haben die Geiselnehmer sich von allen Journalisten, die sie hätten fragen können, ausgerechnet Sie ausgesucht?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Sie müssen doch irgendwann schon einmal mit ihnen zu tun gehabt haben.«
    Es war sein Zögern, das sie aufmerken ließ. Sie beugte sich zu ihm vor. »Diese Leute haben sich bei Ihnen gemeldet.«
    »Das müssen Sie verstehen – als Reporter wird man ständig von irgendwelchen Verrückten belästigt. Jede Woche bekomme ich mehrere von diesen absurden Briefen oder Anrufen, in denen es um irgendwelche geheimen Regierungskomplotte geht. Wenn es nicht die bösen Ölkonzerne sind, dann sind es die schwarzen Helikopter oder UN-Verschwörungen. Meistens ignoriere ich sie einfach. Deswegen habe ich mir nicht allzu viel dabei gedacht. Es war nur einer von vielen verrückten Anrufen.«
    »Wann war das?«
    »Vor ein paar Tagen. Einer meiner Kollegen hat mich gerade daran erinnert, weil er es war, der den Anruf entgegennahm. Ehrlich gesagt, ich war in diesem Moment viel zu beschäftigt, um der Sache allzu viel Beachtung zu schenken. Es war schon spät, ich musste einen Redaktionsschluss einhalten, und das Letzte, was ich in diesem Moment gebrauchen konnte, war eine Diskussion mit irgend so einem Spinner.«
    »Der Anruf kam von einem Mann?«
    »Ja. Er rief in der Redaktion der
Tribune
an. Der Mann fragte, ob ich mir das Paket schon angesehen hätte, das er mir geschickt habe. Ich wusste nicht, wovon er redete. Er sagte, er habe mir vor einigen Wochen etwas mit der Post geschickt; bei mir war aber nichts angekommen. Da sagte er mir, dass eine Frau an diesem Abend ein zweites Paket am Empfang abgeben würde. Wenn es käme, sollte ich sofort hinuntergehen und es abholen, denn der Inhalt sei hochbrisant.«
    »Haben Sie dieses zweite Paket je bekommen?«
    »Nein. Der Pförtner versicherte mir, dass an

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