Scheintot
Dr. Tam. »Ich habe sie heute Morgen in die Klinik aufgenommen.«
»Aber das zeitliche Zusammentreffen, das ist es, was mir ganz und gar nicht gefällt«, sagte Joe. »Das ist doch oberfaul.«
Jane zuckte zusammen, als Joe den Saum ihres Krankenhauskittels packte und ihn hochriss. Einige Sekunden lang starrte er ihren angeschwollenen Bauch an, ihre schweren Brüste, die nun allen Blicken schutzlos ausgesetzt waren. Wortlos ließ er den Kittel wieder über Janes Oberkörper fallen.
»Sind Sie jetzt zufrieden, Sie Schwein?«, platzte Jane heraus. Ihre Wangen glühten vor Empörung und Scham. »Was haben Sie denn erwartet – einen gepolsterten Strampelanzug?« Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, da wusste sie auch schon, dass sie eine große Dummheit begangen hatte. Die erste Überlebensregel für Geiseln:
Niemals
den Typen mit der Knarre verärgern.
Aber er hatte sie schließlich tätlich angegriffen, hatte sie entblößt und erniedrigt, und jetzt bebte sie vor Zorn. »Denkt ihr, ich bin gerne mit euch zwei durchgeknallten Gestalten hier eingesperrt?«
Sie spürte, wie Dr. Tams Hand sich um ihr Handgelenk schloss, ein stummer Appell, doch endlich still zu sein. Jane schüttelte die Hand ab und richtete ihren Zorn weiter auf die beiden Geiselnehmer.
»Ja, ich bin Polizistin. Und wisst ihr was? Ihr zwei sitzt metertief in der Scheiße. Ihr könnt mich abknallen, aber ihr wisst ja, was dann passiert, oder nicht? Ihr wisst, was meine Kumpels mit Polizistenmördern machen?«
Joe und Olena tauschten einen Blick. Fassten sie gerade einen Entschluss? Einigten sie sich gerade darüber, ob Jane leben oder sterben sollte?
»Ein Irrtum«, sagte Joe. »Mehr sind Sie nicht, Detective. Sie haben einfach das beschissene Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.«
Du sagst es, Arschloch.
Sie schreckte auf, als Joe plötzlich lachte. Er ging in die andere Ecke des Zimmers und schüttelte den Kopf. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, sah sie, dass seine Waffe jetzt auf den Boden zielte. Nicht auf sie.
»Und sind Sie eine gute Polizistin?«, fragte er.
»Was?«
»Im Fernsehen haben sie gesagt, Sie hätten einen Fall mit einer vermissten Hausfrau bearbeitet.«
»Eine schwangere Frau. Sie wurde entführt.«
»Wie ist die Sache ausgegangen?«
»Sie lebt. Der Entführer ist tot.«
»Also sind Sie gut.«
»Ich habe nur meinen Job gemacht.«
Er ging auf Jane zu, bis er unmittelbar vor ihr stand.
»Und wenn ich Ihnen nun von einem Verbrechen erzähle? Wenn ich Ihnen sage, dass der Gerechtigkeit nicht Genüge getan wurde? Und dass ihr auch nie Genüge getan werden kann?«
»Warum nicht?«
Er nahm einen Stuhl, rückte ihn vor Janes Platz und setzte sich. Jetzt war er mit ihr auf gleicher Höhe, und seine dunklen Augen blickten sie unverwandt an. »Weil das Verbrechen von unserer eigenen Regierung begangen wurde.«
Oha. Spinneralarm.
»Haben Sie Beweise?«, fragte Jane, wobei es ihr gelang, einigermaßen neutral zu klingen.
»Wir haben eine Zeugin«, erwiderte er und deutete auf Olena. »Sie hat es mit angesehen.«
»Augenzeugenberichte reichen nicht immer aus.«
Besonders dann, wenn die Zeugin verrückt ist.
»Ist Ihnen klar, für wie viele kriminelle Akte unsere Regierung verantwortlich ist? Welche Verbrechen sie Tag für Tag begeht? Die Mordanschläge, die Entführungen? Dass sie ihre eigenen Bürger vergiftet im Namen des Profits? Es ist das Großkapital, das dieses Land regiert, und wir alle sind im Grunde entbehrlich. Nehmen Sie zum Beispiel alkoholfreie Getränke.«
»Wie bitte?«
»Diätlimonade. Die US-Regierung hat sie containerweise eingekauft, für die Truppen in der Golfregion. Ich war dort, und ich habe Unmengen von Dosen in der prallen Sonne herumstehen sehen. Was glauben Sie, was mit den Chemikalien in Diätgetränken passiert, wenn sie großer Hitze ausgesetzt sind? Sie werden toxisch. Sie verwandeln sich in reines Gift. Deswegen sind Tausende von Golfkriegsveteranen krank zurückgekommen. O ja, unsere Regierung weiß davon, aber wir werden es niemals erfahren. Die Getränkeindustrie ist zu mächtig, und sie weiß genau, wen sie bestechen muss.«
»Also … geht es bei dieser ganzen Sache nur um Limo?«
»Nein.
Das hier
ist viel schlimmer.« Er beugte sich näher zu ihr. »Und diesmal kriegen wir sie wirklich dran, Detective. Wir haben eine Zeugin, und wir haben den Beweis. Und wir haben die Aufmerksamkeit der ganzen Nation. Deswegen kriegen sie es mit der Angst zu tun. Deswegen
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