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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Maura.
    Die Sanitäter schoben die Rolltrage bereits im Laufschritt durch die Eingangshalle. Maura musste sprinten, um sie einzuholen.
    »Warten Sie! Wie ist ihr Zustand?«
    Einer der Männer blickte über die Schulter. »Sie liegt in den Wehen. Wir bringen sie ins Brigham.«
    »Aber das ganze Blut…«
    »Das ist nicht ihres.«
    »Wessen dann?«
    »Von dem Mädel da drin.« Er deutete mit dem Daumen den Flur hinunter. »
Die
bringen wir nirgends mehr hin.«
    Sie starrte der Trage nach, als diese ratternd zur Tür hinausgefahren wurde. Dann machte sie kehrt und rannte den Flur hinunter, vorbei an Sanitätern und Bostoner Cops, auf den Brennpunkt des Geschehens zu.
    »Maura?«, rief eine Stimme, die merkwürdig fern und gedämpft klang.
    Sie drehte sich um und entdeckte Gabriel, der sich gerade auf einer Trage aufzusetzen versuchte. Man hatte ihm eine Sauerstoffmaske vors Gesicht gebunden, und sein Arm war durch einen Infusionsschlauch mit einem Beutel Kochsalzlösung verbunden.
    »Bist du okay?«
    Stöhnend ließ er den Kopf sinken. »Nur … ein bisschen schwindlig.«
    »Das sind die Nachwirkungen des Gases«, erklärte der Sanitäter. »Ich habe ihm gerade ein wenig Narcan verabreicht. Er muss es nur die erste Zeit noch etwas ruhig angehen lassen. Das ist so, wie wenn man aus einer Narkose erwacht.«
    Gabriel schob die Maske hoch. »Jane …«
    »Ich habe sie gerade gesehen«, sagte Maura. »Es geht ihr gut. Sie bringen sie ins Brigham Hospital.«
    »Ich kann hier nicht länger untätig herumsitzen.«
    »Was ist da drin passiert? Wir haben Schüsse gehört.«
    Gabriel schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Ihre Maske«, mahnte der Sanitäter. »Sie brauchen jetzt den Sauerstoff.«
    »Es hätte nicht so laufen müssen«, sagte Gabriel. »Ich hätte es ihnen ausreden können. Ich hätte sie davon überzeugen können, dass es besser wäre, sich zu ergeben.«
    »Sir, Sie müssen Ihre Maske wieder aufsetzen.«
    »Nein!«, fuhr Gabriel ihn an. »Ich muss jetzt zu meiner Frau. Und sonst gar nichts.«
    »Sie sind noch nicht fit genug.«
    »Gabriel, er hat Recht«, sagte Maura. »Schau dich doch an, du kannst ja kaum aufrecht sitzen. Bleib noch eine Weile liegen. Ich fahre dich selbst ins Brigham Hospital, aber erst, nachdem du dich ein wenig erholt hast.«
    »Nur ein paar Minuten noch«, murmelte Gabriel, während er erschöpft auf die Trage zurücksank. »Dann bin ich wieder auf dem Damm …«
    »Ich bin gleich wieder da.«
    Sie fand den Eingang zur Bilddiagnostik. Das Erste, was ihr beim Eintreten in die Augen sprang, war das Blut. Es war immer das Blut, das die Aufmerksamkeit auf sich zog; diese schockierenden roten Spritzer, die dem Betrachter zuriefen: Hier ist etwas Schlimmes, etwas wirklich Schreckliches passiert. Obwohl ein halbes Dutzend Männer im Raum herumstanden, obwohl die Hinterlassenschaften des Notarzteinsatzes auf dem Boden verstreut lagen, waren es zu allererst die Spuren des tödlichen Kampfes an den Wänden, die Maura in ihren Bann zogen. Dann fiel ihr Blick auf die Frau, die zusammengesunken an der Couch lehnte. Blut troff von ihren schwarzen Haaren auf den Boden. Nie zuvor hatte Maura beim Anblick von Blut weiche Knie bekommen, aber nun musste sie plötzlich feststellen, dass sie bedenklich schwankte, und sie hielt sich mit einer Hand am Türrahmen fest. Das sind die Reste des Gases, das sie hier drin eingesetzt haben, sagte sie sich. Es ist noch nicht ganz verflogen.
    Sie hörte ein flatterndes Geräusch, und durch den Nebel der Benommenheit sah sie, wie eine weiße Plastikplane auf dem Boden ausgebreitet wurde. Sah, wie zwei Männer mit Latexhandschuhen unter den Blicken von Agent Barsanti und Captain Hayder Joseph Rokes blutüberströmte Leiche auf die Plane rollten.
    »Was tun Sie da?«, fragte sie.
    Niemand schien ihre Anwesenheit zu registrieren.
    »Wieso transportieren Sie die Leichen ab?«
    Die zwei Männer, die sich gerade über die Leiche beugten, hielten inne und blickten in Barsantis Richtung.
    »Sie werden nach Washington geflogen«, sagte Barsanti.
    »Sie nehmen hier gar nichts mit, solange nicht jemand von unserem Institut den Tatort in Augenschein genommen hat.« Sie sah die beiden Männer an, die schon im Begriff waren, den Reißverschluss des Leichensacks zuzuziehen. »Wer sind Sie? Sie arbeiten doch nicht für uns.«
    »Sie sind vom FBI«, antwortete Barsanti.
    Ihr Kopf war jetzt wieder vollkommen klar; die Wut hatte den letzten Rest von Schwindelgefühl

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