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Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind

Titel: Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Maria Koidl
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sich erneut und sagt, er sei jetzt am Flughafen und komme doch eine Stunde später, ob das ein Problem sei. »Nein, natürlich nicht«, lautet die reflexartige Antwort, denn sie ist schon in der Rolle der Tochter, die gefallen will, und fügt sich seinem Ablauf, seinem Programm. Die Sache endet damit, dass er schon nach einem Glas Rotwein in ihrer Wohnung zudringlich wird. Sie kann dem Druck, den er auslöst, nicht standhalten, und so dauert es nicht lange, bis er sich wieder anzieht und verschwindet. Dazwischen hat achtmalsein Handy geklingelt, woraus sie geschlossen hat, dass er doch verheiratet ist. Zunächst meldet er sich nicht mehr, was bei ihr den Motor des Interesses in Gang setzt. Die perfekte Falle. Denn Christin war ja keinesfalls in den Mann verliebt. Sie erfüllte einfach ein Programm, das sie in der Kindheit gelernt hatte und das seitdem wie eine seelische Behinderung in ihr ablief. Der Schlüssel zu diesem Programm lautet »Desinteresse«. Denn so muss er sein, der Mann, von dem dieser Typ Frau »beantwortet« werden will: kalt, gleichgültig, mit einem süffisanten Lächeln der Überlegenheit. Das ist sie, die bekannte Wellenlänge aus dem Radio der Jugend, das ist der familiäre Sound der Kindheit. Um aus der Sache herauszukommen, fand sich gleich ein anderer Mann, doch das Beziehungsmuster blieb gleich.
    Diese Falle, in die Hunderttausende Frauen gehen, ist ohne externe Hilfe kaum zu überwinden. Dramatisch wird die Sache, wenn es sich nicht um irgendeinen Mann handelt, sondern tatsächlich um »die große Liebe«. Christins Verzweiflung wegen Klaus ist unendlich, sie kann einfach nicht fassen, wie es möglich ist, jemanden zugleich so zu lieben und trotzdem nicht in der Lage zu sein, eine alltägliche und positiv erlebte Beziehung mit ihm zu führen.
     
    Woher kommt dieses Programm? Wer hat es geschrieben? Und warum hält es so lange vor? Hier geht es nicht um Missbrauch, körperliche Gewalt, Schläge oder psychische Repression. Es geht darum, dass wir in unserer Entwicklungzumeist vom gegengeschlechtlichen Elternteil geprägt werden, wie die Psychologin Julia Onken in ihrem Buch »Vatermänner« feststellt. Das ist gut für Jungen, weil die Liebe der Mutter global ist. Sie prägt die Entwicklung von Männern selbst dann noch positiv, wenn auch die Mutter selbst von ihrem Ehemann, dem Vater, schon lange vernachlässigt wird. Mit dem Erscheinen des Sohnes geht die Sonne auf, weshalb die meisten Männer über ein wesentlich stärkeres Selbstwertgefühl verfügen als Frauen. »Du bist gut, so wie du bist«, ist ein Grundgefühl, das Männern durchweg von ihren Müttern vermittelt wird. Darauf baut unsere gesamte Gesellschaft auf. Unfassbar, welche Platituden unterirdisch aussehende Männer mitunter in Talkshows von sich geben und wie gut sie sich dabei auch noch finden. Frauen sind da zurückhaltender, differenzierter, bescheidener. Sie bekommen diesen Grundstoff des »Du bist gut, so wie du bist« vom gegengeschlechtlichen Elternteil weitaus weniger mit auf den Weg. Frauen werden also im Wesentlichen durch die Beziehung zum Vater geprägt. Und diesem fällt es weitaus schwerer, zu vermitteln: »So wie du bist, bist du ganz wunderbar.« Das ist auch der Grund, warum ich an dieser Stelle den am häufigsten auftretenden Fall: »selbstbewusster Vater« und »unsichere Mutter«, und damit die Geschichte von Christin und Klaus in den Vordergrund stelle. Natürlich gibt es auch die Konstellation »schwacher Vater« und »dominante oder kalte Mutter«. Sie kommt aber aus den bereits beschriebenen Gründen seltener vor. Diese Töchter sind meist etwas unterkühlt, sehr selbstbewusstund zumeist außerordentlich erfolgreich. Selbstverständlich gibt es auch »vergessene Söhne«, die jedoch aus Gründen des Themas dieses Buches hier außer Betracht bleiben.
     
    Christins Vater hatte das kleine Mädchen einfach vergessen. Das war kein Vorsatz oder ernstlich böser Wille. Hermann ist im Grunde kein schlechter Kerl, sondern umgänglich und in Gruppen von geselliger Witzigkeit, ein guter Verkäufer eben. Christin beobachtete den Vater, als sie klein war, und registrierte mit messerscharfer Beobachtungsgabe, dass es natürlich Dinge, Begebenheiten und Menschen gab, die den Vater zur erhöhten Aufmerksamkeit und Zuwendung bewegen konnten. Nur im Hinblick auf sie selbst war das nicht der Fall. Hermann zeigte kein sonderliches Interesse an seiner Tochter. Alle Versuche, sich beim Vater bemerkbar zu machen und um

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