Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind
und das seiner Frau und Kinder zu übernehmen, also erwachsen zu werden. Zu seinen Ritualen gehört es, jeden Samstag und Sonntag bei den eigenen Eltern in der Gartenlaube zu sitzen und das Wochenende mit »Mensch-ärgere-dich-nicht«-Spielen zu verbringen. Hermanns Mutter, eine dominante, durchsetzungsfähige Fränkin aus Nürnberg, und sein Vater, ein gutmütiger, wohlwollender Mann aus Oberschwaben, übernahmen für ihn auch seine väterlichen Pflichten und sorgten sich um die zahlreichen Enkelkinder auch dann noch, als Hermann bereits die nächste Frau und die gemeinsamen Kinder zugunsten einer weiteren Frau verlassen hatte.
Christins Vater ging es um seine eigenen Bedürfnisse, rücksichtslos und selbstbezogen. An der Entwicklung seiner Tochter war er nur mäßig interessiert und zeigte auch bei aufwendigstem Werben der Pubertierenden kaum Interesse. Doch er hat damit auch das Männerbild von Christin geprägt. Seine Charaktermerkmale gingen direkt in ihre Einordnung von Männern über. Es funktioniert wie mit dem hässlichen Abziehbild der kleinen Blumeauf einer Spülmittelflasche. Das Bildchen mag eine Schande für jede gutgepflegte Küchenkachel sein, aber wenn wir es sehen, weckt es vertraute Erinnerungen an die eigene Kindheit und zaubert ein Lächeln in unser Gesicht. Das Drama für Frauen wie Christin besteht darin, dass sie kaum eine Chance haben, dieses negative Abziehbild ohne fremde Hilfe je wieder loszuwerden.
Neben der Kategorie Väter, die nicht »wollen«, gibt es eine zweite Kategorie. Es sind Väter, die nicht »können«. Männer, deren Emotionen fein säuberlich verschnürt in einem Paket aus Ratio, Zahlen und formelhaften Lebensgrundsätzen auf dem Dachboden des eigenen Lebens liegen. Männer, die aus Mangel an Gefühls- und Herzensbildung, aus einem Gefühl der Unsicherheit heraus nach einem klassischen Rollenverständnis suchen und der Meinung sind, die emotionale Ausbildung der Kinder, insbesondere der Töchter, läge bei der Ehefrau und Mutter. Diese Väter wollen das Beste, sind sich ihrer Verantwortung und Rolle bewusst.
Wie mein Computerfachmann aus Köln, ein bebrillter Bartträger Mitte vierzig, mit starkem pädagogischen Sendungsbewusstsein. In weichen Schuhen mit Kreppsohle und Strickjacke berichtete er mir schraubend von seiner zwölfjährigen Tochter. Morgen gehe er zur Schulleiterin, denn die Lehrerin habe dem Kind im Aufsatz einen Kommafehler angestrichen, den es dort gar nicht gab, war das Komma doch gesetzt. Auswirkungen auf die Note hatte es nicht, doch unterstelle die Lehrerin der Tochter, das Komma dort nachträglich eingefügt zu haben. »Strafrechtlichrelevant« sei diese Unterstellung, meinte der prinzipientreue PC-Vater und machte sich auf den Weg, der Tochter wegen eines Kommas auf juristischem Wege zu ihrem Recht zu verhelfen. Zumeist sind es die Väter, die versuchen, mit solchen Aktionen, die ihnen aus ihrer formalen Geschäftswelt vertraut sind, mangelnde Erfahrungen in ihrer eigenen Gefühlswelt zu kompensieren. Sie möchten damit gern ihre Liebe unter Beweis stellen, sich bemüht zeigen. Doch sie selbst bleiben dabei unerreichbar.
Christin und Klaus haben sich schließlich getrennt. Wobei dieser Schritt von ihr ausging. Christin hatte über Monate – fast unbemerkt von Klaus – verzweifelt nach einem Ausweg aus dieser als Hölle empfundenen Situation gesucht. Ein Kind und seine Liebe. Wohin damit? Sie sah ihre Gefühle nicht erwidert und fand nur einen einzigen Ausweg für sich, der dann darin lag, Klaus als Liebesobjekt schrittweise zu entwerten. Jenen Mechanismus, der sie auch schützend mehr schlecht als recht durch ihre Kindheit gebracht hatte. Der Entwertungsprozess lief so lange, bis Christin es schaffte, ihre Liebesenergie in eine andere Richtung zu lenken. Christin überrannte Klaus mit Vorwürfen, die eigentlich an den Vater gerichtet waren, sah in vielen Kleinigkeiten »bekannte Gefahren« und erwartete von ihrem Lebenspartner, was dieser emotional gar nicht leisten konnte. Alles was Klaus sagte, wurde prompt durch den väterlichen Entwertungsfilter gejagt. Sie stülpte ihm das entwertete Vaterbild förmlich über,um ihn und die gemeinsame Liebe zu entwerten. Letztlich stellte sich für Klaus die Frage, was er eigentlich mit dem Mann zu tun hatte, den sie in ihm sah. Zu gern hätte er einen Weg gefunden, ihr die Vaterbrille abzunehmen, um damit den Blick auf die wirkliche Person »Klaus« freizugeben, doch das war mehr, als er von Christin
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