Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind
beeinflussen konnte. Klaus hatte es mit einer Frau zu tun, die nicht auf ihn reagierte, auf das, was er tat oder unterließ, sondern stets auf ihren Vater Hermann.
Christin gehört zu den »verlassenen Töchtern«. Dassind Frauen, die in ihrer Kindheit vergeblich nach Anerkennung durch den ersten Mann, ihren Vater, gerungen haben. Keinen anderen hat sie glühender geliebt, von keinem anderen hätte sie sich mehr Aufmerksamkeit, Beachtung und Liebe gewünscht als von ihm. Es blieb ihr versagt. Der Vater verließ die kleine Familie, als Christin fünf Jahre alt war. Den Augenblick selbst kann sie noch gut erinnern: Ein Augenblick tiefer Verlassenheit für sie, der Anfang einer von praktischen Problemen des alltäglichen Überlebens gekennzeichneten Kindheit und einer lebenslang nicht heilen wollenden Verletzung der Seele.
Christin hatte, bis sie mit Klaus zusammenkam, schon auf diversen Beziehungsbaustellen gelebt, einige Umzüge inklusive. Bisher war ihr Problem aber nur in Teilen sichtbar geworden. Als sie zwanzig war, gehörte sie zu den Mädchen, die »Jungs ranlassen«. Ihr Körper erschien ihr wenig wertvoll, sie hatte kaum einen Bezug dazu, und die Frage, ob sie nun mit einem Jungen schlief oder nicht, war für sie nahezu unerheblich. Es machte ihr sogar Spaß, vor den jungen Kerlen die willige und offene Frau zu geben, um sie dann unvermittelt wieder zu verlassen. Das brachte die Jungs zur Raserei, und Christin bekam das Wertvollste, was es in ihrem Leben gab: Aufmerksamkeit. Der Sex als solcher war ihr unwichtig, die Befriedigung sexueller Lust vollkommen nebensächlich. Sie ließ die Männer ihren Körper benutzen, um damit nicht sich selbst, sondern die Partner, mit denen sie Sex hatte, zu entwerten. Sie rächte sich damit stellvertretend an einem abwesenden Vater, während die nichts ahnenden Jungs wieFische im Netz einer Frau zappelten, die in ihrem Verhalten einen Weg suchte, das entwertete Verhältnis zu Männern zu verarbeiten. Christins Drama war es, vom eigenen Vater nicht »beantwortet« zu werden. Das war gleichbedeutend damit, fehlerhaft, schlimmer noch, eigentlich gar nicht existent zu sein. Dadurch verlor Christin das Gefühl für ihren Körper. Sie besitzt wenig Orientierung aus sich selbst heraus, sondern bezieht diese hauptsächlich aus der Resonanz, die ihr Äußeres und damit ihr Körper, den sie als »Hülle« bezeichnet, auszulösen vermag. Doch die männliche Resonanz auf Christins Reize ist auch ein Dilemma. Sie ist eine hochreflektierte, intelligente Frau. Die männliche Reaktion auf ihre Person wird durch körperliche oder sexuelle Reize bestimmt, für Christin ist das besser als nichts, hat aber auch einen bitteren Nachgeschmack, es hinterlässt ein schreckliches Gefühl der Leere und Einsamkeit, das sich zumeist erst Tage später einstellt.
Christin suchte sich für ihre Beziehungen zwei Männertypen. Der eine Männertyp war Christin deutlich unterlegen. Nette Kerle, keinesfalls dumm oder einfältig, aber dennoch Christins eigenem Horizont nicht gewachsen. Mit ihnen hatte sie auch längere Beziehungen, die irgendwann jedoch ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr genügten, aber fortgesetzt wurden, weil sie sich aus Gründen der Loyalität dazu verpflichtet fühlte. Sie wollte eben genau nicht so sein wie ihr Vater, der die Familie im Stich gelassen hatte.
Der andere Männertyp zeichnete sich durch einendeutlichen Altersunterschied zu Christin aus, und dadurch, dass es immer ein »glatter Business-Mann« war. Beeindruckender Auftritt, gute Wortwahl, leicht dominant und die Dinge in die Hand nehmend. Man trifft sich bei einem After Work Club und verabredet sich für ein paar Tage später. Er meldet sich ganz geschäftig von unterwegs und kündigt an, sie am Abend ausführen zu wollen. Sie denkt den Tag über darüber nach, welche Bluse sie anziehen würde, ob Rock, Kleid oder Hosenanzug, und welches Make-up sie auftragen würde, schmeißt aber, eine Stunde vor der angekündigten Abholzeit, dann alles wieder um und zieht doch etwas anderes an. Um diesen Zeitpunkt ruft »er« an, bittet vielmals um Entschuldigung: »Es ist aber auch wieder ein hektischer Tag«, und verlegt den Ort des Treffens in eine nahe gelegene Pizzeria, allerdings eine Stunde später als verabredet. Pizzeria, das bedeutet für sie ein anderes Outfit, also zieht sie sich noch einmal um und trägt ein anderes Make-up auf. Sie prüft noch einmal ihre Frisur und zupft an allen Kleidungsstücken herum. Dann meldet er
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