Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind
Punkerin und an jeder möglichen Körperstelle gepierced durch die Welt. Doch die echte Protest-Tochter hat da mehr zu bieten. Sie engagiert sich gegen den Walfang und kauft mit missionarischem Eifer nur Bio-Produkte. Sie unterstützt Obdachlose oder kann Trauben im Sommer nicht essen, »weil da zu viele Pestizide drauf sind«. Sie hat es nicht nötig, um die Aufmerksamkeit des Vaters zu buhlen, sie ringt sie ihm auch so ab. Das Gefallen durch äußerliche Reize, vorteilhaftes Verhalten oder besondere Leistungen hat sie nicht nötig. Sie analysiert messerscharf die Lebensführung und die Weltanschauung des Vaters und konfrontiert ihn mit ihren Erkenntnissen, auch wenn das zu erheblichen Auseinandersetzungen in der Familie führt. Doch auch ihr Blick auf die Mutter ist nicht problemfrei. Wie die Leistungs-Tochter, so lehnt auch die Protest-Tochter die unterwürfigeRolle der Mutter in der Familie ab und zeigt das auch deutlich. Diese Töchter-Typen sind zumeist hochintelligent und in der Lage, sich klar und unmissverständlich auszudrücken. Schlimmer noch, sie verstehen es, die Schwächen ihrer Gegner zu erfassen und sie mit einem kurzen, scharfen Satz auch so zu formulieren, dass Gegenwehr unterbleibt. Doch diese verbale Stärke, das Schnippische, macht anderen Menschen auch Angst, weshalb die Protest-Tochter weitaus weniger erfolgreich ist als ihre leistungsorientierte Schwester. Sie bezieht ihre Bestätigung, die Beantwortung ihrer Person, aus der Konfrontation. Je mehr Kontrahenten, desto besser. Auf Podien und Versammlungen in der Universität nimmt sie es gern mit dem ganzen Saal auf und stört sich keinesfalls daran, wenn die meisten nicht ihrer Meinung sind. Der Widerstand der Masse ist für sie Bestätigung, fühlt sie doch dadurch, dass sie atmet, lebt, wahrgenommen wird. Es ist ihr vollkommen egal, ob sie Zustimmung oder Ablehnung erfährt, sie will beantwortet werden. Dabei kommt es diesem Typ Frau zugute, dass die Welt der mit ihr diskutierenden Männer vollständig aus dem Takt gerät. Männer erwarten in der Regel, sich einer Gefall-Tochter gegenüberzusehen, der Auftritt einer Protest-Tochter löst schon deshalb Irritation und Verunsicherung bei ihnen aus. In Polit-Fernsehtalkshows mit Vertreterinnen der »Grünen« oder der »Linkspartei«, die zuweilen auch noch deutlich jünger als die männlichen Mitdiskutanten sind, wird das gelegentlich auf unterhaltsame Weise deutlich. Männer begegnen diesem Typ Frau mit einer abschätzigen »Also-jetzt-mal-halblang-Attitüde«, einer väterlich pompösen Schutzhaltung. Da wird die hochqualifizierte weibliche Gegnerin gern schon mal als »Mädchen« hingestellt. Eine Bewertung, mit der man es bis zur Kanzlerin bringen kann, wie wir heute wissen. Gleichwohl, die Welt gerät aus den Fugen, wenn das »Mädchen« in schöner Respektlosigkeit den Parteichef oder Gewerkschaftsboss als »Bübchen« deklassiert. Das Spiel ist so alt wie Fernsehtalkshows selbst, und es findet im hysterischen Medienzirkus gern Beachtung. Absurd wird die dargebotene Nummer, wenn sich in der Diskussionsgruppe auch noch eine Leistungs-Tochter befindet. Sie wird dann nur zu gern die Rolle der rationalen, der von Emotionen freien Richterin übernehmen.
Bei der Recherche zu diesem Buch hat mir die 39-jährige Henriette geschrieben, wie sie sich im Verlauf eines Coachings selbst kennenlernte:
»Ich bin eine Protest-Tochter und berichte aus eigener Erfahrung. Mit der väterlichen Erfahrungswelt habe ich mich durchaus identifiziert und fand dort auch Anknüpfungspunkte. Mit meiner Leistungsschwester verband mich, dass ich nicht so werden wollte wie meine Mutter. Ich wollte aufgenommen werden, dabei sein, nicht außen vor stehen. Außen vor dem Kreis jener, die mit ihrer Meinung und ihren Werten ernst genommen werden. Ich habe schnell gelernt, mir mit verbaler Stärke und schneidend kalter Rhetorik Zugang zur Welt der Männerzu verschaffen, aber der Preis ist hoch. Meine Beziehungen, sofern eine solche überhaupt in Sicht war, gingen meistens nicht gut. Männer fühlten sich von mir überfordert oder rasch in die Enge gedrängt. Man(n) konnte es mir allerdings auch nicht recht machen. Lapidare Alltagsfragen mutierten zu Auseinandersetzungen, die für einen normalen Menschen schon etwas Neurotisches hatten. Dabei musste es gar nicht notwendigerweise um wichtige inhaltliche Diskussionen über Kunst, Kultur oder Politik gehen. Es genügten schon Feststellungen darüber, wie viel
Weitere Kostenlose Bücher