Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind
doch alle gleich«, war sein Schlüsselsatz, mit dem die Qualen für das Kind begannen. Durch dieses traumatische Erlebnis blieb die Gefühlsentwicklung von Martina quasi stehen. Was symptomatisch für Kinder in dieser Situation ist, setzte auch bei Martinaals Opfer dieser sadistischen Aggression ein: Sie schützte sich durch einen Spaltmechanismus, der ihrer Seele in dieser ausweglosen Situation Zuflucht bot. Dafür bezahlt sie nun teuer und lebenslang, tragen diese Kinder doch fortan einen »toten Kern« verstümmelter Gefühlsbildung in sich.
Des Vaters Quälbesteck war neben Sarkasmus und Ironie vor allem die Verweigerung der Kommunikation. Er redete schlicht nicht mit Martina. Man kann es fast als charakteristischste Waffe von Tätern bezeichnen. Dies ist allerdings nur der erste Schritt. Greift er, wird im zweiten Schritt mit Liebesentzug das eigentliche Vernichtungssystem aufgefahren. Die Motive des Vaters möchte ich nur am Rande skizzieren, sofern sie als kindliche Prägung bei den Opfern bedeutsam für die Auswahl der späteren Lebenspartner sind. Unschwer ist zu deuten, dass der Vater sich seiner Frau und später seiner Tochter (als Projektionsobjekt) unterlegen fühlte. Martina ist intelligent und hat die Gabe, das auch messerscharf und äußerst pointiert vorzutragen. Dabei hat sie die Lacher auf ihrer Seite. Eine Gabe, die ihre Karriere beim Rundfunk sicherlich beflügelte. Doch sie ist das Ergebnis der Repression durch ihren Vater und einer Überkompensation, die sich aus dem Zurückbleiben ihrer Gefühlsintelligenz entwickelt hat. Ihre überdurchschnittliche Schlagfertigkeit, die mitunter sehr verletzend sein kann, verstärkte die Gefühle der Minderwertigkeit beim Vater. Dieser begann nun auszulöschen, was sein Kind zu viel an Begabung hatte, um sich diesen eigenen Mangel nicht eingestehen zu müssen.
Wir haben im ersten Teil des Buches festgestellt, dass von den betroffenen Frauen oftmals Partner ausgesucht werden, die vordergründig »leicht zu handhaben« sind. Nette Jungs, die allerdings erst bei sehr viel genauerem Hinsehen alle Merkmale des eigenen Vaters aufweisen. Mag sein, dass es ebenfalls starker Alkoholgenuss ist, vielleicht ist es ein physisches Merkmal oder einfach eine Ähnlichkeit in Gang, Körperbau, Sprache oder eine vertraute Gesichtssymmetrie. Diese kleinen Details werden ausschließlich unterbewusst wahrgenommen, wirken jedoch beruhigend und verlässlich, weil bekannt.
Charakteristisch ist, dass sich Frauen wie Martina regelmäßig stark zu verlieben glauben. Dabei sprechen Männer bewusst oder unbewusst genau jene Defizite bei der Partnerin an, nach denen sie Ausschau hält. Die Reaktion des Verliebens fällt kindlich und heftig aus. Sie ist durch erklärendes Zureden des Umfelds (»Du gehst wieder in die gleiche Falle«) nicht zu verhindern. Martina hat in einer solchen Stimmung gleich mehrfach nur wenige Wochen nach dem ersten Kennenlernen geheiratet. Der männliche Partner spricht in diesem Moment offensichtlich jenes defizitäre Element in der Persönlichkeitsstruktur der Frau an, das sie selbst zutreffenderweise für unterentwickelt hält, nämlich das Gefühl. In diesem Moment ist es, als würde ein »Schalter« umgelegt, und es kommt jenes zwölfjährige Mädchen zum Vorschein, das zu diesem Zeitpunkt die Entwicklung seiner Gefühlspersönlichkeit abgestellt hatte und diesen Teil verkümmern ließ. Andere Persönlichkeitsmerkmale wie Ratio, sozialeKlugheit oder Besonnenheit werden abgeschaltet. Eine erwachsene Frau von Mitte dreißig verhält sich wie eine Her anwachsende. Im harmlosesten Fall ist es kindliche Verliebtheit, die sich im Umfeld kaum jemand erklären kann (»Biggi ist schon wieder verliebt, hält wahrscheinlich auch wieder nicht so lange«), in schlimmeren Fällen wird geheiratet.
Die Verwechslung von Gefühl und Sentimentalität ist nicht nur bei den hier beschriebenen Frauen ein Problem. Mir scheint, dass es sich um ein gesellschaftliches Phänomen handelt, das bei kollektiven Traueranlässen besonders augenfällig wird. Die Massenhysterie im Todesfall der englischen Prinzessin Diana kann nur so gedeutet werden, dass es hier ein unausgesprochenes gesellschaftliches Einvernehmen gab, seine Gefühle dergestalt zu zeigen. Es war sicherlich ein tragischer Unfall, dennoch sind die vielen emotionalen Äußerungen darauf bizarr, kannte doch niemand die Verunglückte persönlich. Kann es also sein, dass wir immer öfter Gefühl und Sentimentalität
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