Schenk mir diese Nacht
zu betrachten", fügte er ernster hinzu. "Mit etwas Glück wird dies für deine Mutter der erste Schritt auf dem Weg zur Genesung sein."
"Ich werde es versuchen", versprach sie zögernd. "Ich möchte nur nicht, dass meine Mutter sich über irgendetwas aufregt..."
"Ben Travis wird sie nicht aufregen, das versichere ich dir", beteuerte Jonathan nachdrücklich. "Er ist einer der charmantesten Männer, die ich kenne. Deine Mutter wird ihn bestimmt mögen. Was ist?" fragte er, als Gaye ihn verblüfft anschaute.
"Ich hatte irrtümlicherweise angenommen, dein ,Freund' wäre eine Frau", gestand sie verlegen.
Sie hatte geglaubt, er würde einen weiblichen Gast zum Dinner mitbringen! War das womöglich der Grund, weshalb sie so heftig dagegen protestiert hatte? Und wenn ja, warum?
Er lachte leise. "Ben ist ein Mann. Hast du wirklich gedacht, ich würde die Tischordnung durcheinander bringen?"
"Zuzutrauen wäre es dir", meinte sie kühl.
Jonathan ahnte, das sie lediglich versuchte, das Gesicht zu wahren. Der Gedanke, dass er eine Frau mitbringen würde, hatte ihr offensichtlich nicht gefallen. Hatte sie etwa vermutet, es könnte ihn mehr als nur Freundschaft mit der vermeintlichen Begleiterin verbinden ... ?
Interessant.
Und der Abend versprach noch aufschlussreicher zu werden.
Jonathan war gespannt!
9. KAPITEL
Während sie auf die Gäste wartete, hatte Gaye ihr Äußeres mindestens ein halbes Dutzend Mal verändert.
Da sie nicht zu geschäftsmäßig erscheinen wollte, hatte sie sich gegen Rock und Bluse entschieden. Allerdings war sie nicht sicher, ob sie mit dem schlichten schwarzen Kleid, das knapp über dem Knie endete, die richtige Wahl getroffen hatte ...
Als Gaye vor fünfzehn Minuten in die Küche gekommen
war, hatte ihre Mutter ihr versichert, sie sehe "wunderschön" aus
- und gleich darauf vorgeschlagen, sie möge das Haar offen tragen, statt es mit einer Spange im Nacken zusammenzufassen, weil das "hübscher" wirke.
Sie war dem Rat der Mutter gefolgt, nicht weil sie hübscher aussehen wollte, sondern weil ihr die etwas strengere Frisur ohnehin nicht gefallen hatte. Inzwischen fragte sie sich jedoch, ob sie sich nicht zu sehr herausgeputzt hatte.
Ihre Nervosität wurde durch den Verdacht verstärkt, dass Jonathan wahrscheinlich am Morgen gemerkt hatte, wie unangenehm ihr die Vorstellung gewesen war, bei seinem
"Freund" könnte es sich um eine Frau handeln.
Sie war einfach außerstande gewesen, ihr Missfallen zu verbergen. Sie hatte Jonathan Hunter schnell schätzen gelernt, genoss seine Gesellschaft - und seine Umarmungen. Aber Jonathan zu mögen war vielleicht noch verhängnisvoller als ihre damaligen Gefühle für Richard ...
"Es ist genau wie in alten Zeiten, nicht wahr, Liebes?" Ihre Mutter legte gerade letzte Hand an die mit Shrimps gefüllten Avocados, die sie als Vorspeise servieren wollten. Dann stellte sie die kunstvoll garnierten Platten in den Kühlschrank.
Gaye seufzte. Dies war die erste Dinnerparty, seit ... "Nicht ganz, Mummy", erwiderte sie leise.
Ihre Mutter blickte sie einige Sekunden lang völlig
verständnislos an, dann lächelte sie strahlend. "Es wird bestimmt ein großer Erfolg, Schätzchen", verkündete sie, bevor sie ihre ganze Aufmerksamkeit dem Filet Wellington zuwandte, das mit Erbsen und Karotten den Hauptgang bilden sollte. "Mir gefällt dein Jonathan", fügte sie fröhlich hinzu.
Gaye errötete. "Er ist nicht mein Jonathan, Mummy", protestierte sie schärfer als beabsichtigt. "Er ist nur ein Freund", fuhr sie etwas versöhnlicher fort.
"Wenn du es sagst, Liebes." Ihre Mutter nickte. "Würdest du bitte noch einmal den Tisch überprüfen und dich vergewissern, dass wir nichts vergessen haben?"
Gaye war froh, die Küche verlassen zu können, obwohl sie wusste, dass sie die Tafel nicht zu inspizieren brauchte. Ihre Mutter hatte bestimmt nichts übersehen. Es war Gaye einfach unbegreiflich, dass ihre Mutter in allen Belangen des täglichen Lebens völlig normal reagierte und sich dennoch standhaft weigerte, den Tod des geliebten Mannes zu akzeptieren.
Gaye blieb vor dem Tisch stehen, ohne ihn richtig
wahrzunehmen. Falls Jonathan starb, würde sie dann auch ...?
Nein! Das konnte ihr nicht passieren. Sie wollte nicht, dass ihr das passierte!
Aber ob sie es nun wollte oder nicht, plötzlich erkannte sie, dass sie sich bereits in Jonathan Hunter verliebt hatte.
Kraftlos sank sie auf einen der vier Stühle an der perfekt gedeckten Tafel. War sie völlig verrückt
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