Schenk mir nur eine Nacht
Leute können wieder aussteigen, wenn du mich nicht fahren lassen willst."
"Verdammt, Luis! Lass meine Schwester in Ruhe!"
Unbeeindruckt stand Luis da und sah Alan an, nichts und niemand würde ihn von seinem Entschluss abbringen. Dieses Mal wird er mich nicht gehen lassen, ehe er mit mir fertig ist, was immer er damit meint, schoss es Shontelle durch den Kopf.
"Wir sollten es akzeptieren, Alan. Alle sind schon eingestiegen", sagte sie schließlich. "Ich zähle rasch durch, ob niemand fehlt."
"Ich habe mehr Erfahrung mit Bussen als du, Luis", wandte Alan ein.
"Du wirst vollauf damit beschäftigt sein, deine Leute zu beruhigen, wenn wir durch La Paz fahren. Es sieht schlimm aus", entgegnete er grimmig. "Sobald wir aus der Stadt heraus sind, kannst du dich ja ans Steuer setzen."
"Damit du Zeit hast, Shontelle noch mehr zu verletzen!" fuhr Alan ihn an. "Dabei hat sie sich bis heute nicht davon erholt, dass eure Beziehung plötzlich zu Ende war!"
"Ich mich auch nicht, mein Freund", antwortete Luis.
Shontelle runzelte die Stirn. Stimmte das wirklich?
"Was soll das überhaupt? Du wirst sie sowieso nicht heiraten, das habe ich ihr von Anfang an gesagt. Aber sie wollte nicht auf mich hören", erklärte Alan.
"Du hast dich auch eingemischt?" Luis' Stimme klang kühl.
"Dann bist du in gewisser Weise mitschuldig. Ich rate dir, kümmere dich nicht um meine Angelegenheiten. Du hast überhaupt keine Ahnung, was ich empfinde und was ich vorhabe."
Ich auch nicht, dachte Shontelle, während sie einstieg. Nur mühsam konnte sie sich darauf konzentrieren, die Leute zu zählen und einzeln aufzurufen.
Dann stiegen auch ihr Bruder und Luis in den Bus. Er setzte sich auf den Fahrersitz, Alan auf den Platz neben ihm, der für den Reiseleiter bestimmt war. Nachdem auch Shontelle sich auf den für sie reservierten Platz direkt hinter Luis gesetzt hatte, konnte die riskante Fahrt beginnen.
Vor den körperlichen Anstrengungen, die mit der langen Rückreise verbunden waren, fürchtete Shontelle sich nicht.
Damit würde sie zurechtkommen. Doch dass Luis dabei war, beunruhigte sie sehr. Was wollte er noch von ihr? Wohin sollte das alles führen? Und wie würde es enden?
9. KAPITEL
Die Straßen von La Paz waren ungewöhnlich menschenleer.
Es herrschte kaum Verkehr, und nur wenige Fußgänger waren unterwegs. Man hatte das bedrückende Gefühl, durch ein Kriegsgebiet zu fahren. Im Bus herrschte eine beängstigende Stille. Wenn überhaupt jemand sprach, dann nur sehr leise.
Shontelle bemerkte, dass Luis die Hauptstraßen mied. Als sie an einer Gruppe Soldaten vorbeifuhren, gab er Gas. Man spürte deutlich, wie sehr er sich der Gefahr bewusst war, angehalten und mitgenommen zu werden.
Alan forderte die Reiseteilnehmer übers Mikrofon auf, sich normal zu verhalten, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. In die politische Auseinandersetzung würde man Touristen nicht hineinziehen, behauptete er, und Shontelle hoffte, er behielte Recht.
Als sie durch eine wie ausgestorben wirkende Straße fuhren, tauchte plötzlich aus einer Seitenstraße ein Panzer vor ihnen auf.
Luis musste eine Vollbremsung machen, um nicht mit ihm zusammenzustoßen, und der Bus kam quietschend zum Stehen.
Seltsamerweise hielt der Panzer auch an. Und dann wurde langsam das Geschützrohr in ihre Richtung gedreht. Es war eine gespenstische Szene, wie aus einem Horrorfilm. Die Frauen fingen an zu schreien, während die Männer vor Entsetzen fluchten.
"Verhalten Sie sich bitte ruhig!" forderte Alan die Leute streng auf.
Sie gehorchten, doch die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt, alle hatten Angst. Shontelle bemerkte plötzlich, dass das Geschützrohr direkt auf Luis gerichtet war. Natürlich, er sieht aus wie ein Einheimischer, dachte sie entsetzt.
Ohne nachzudenken, sprang sie auf, legte die Arme um ihn und schmiegte sich mit dem Kopf an seinen, damit man ihr blondes Haar deutlich erkennen konnte. Jetzt musste es den Soldaten klar sein, dass sie keine Südamerikanerin war, und vielleicht würden sie es sich gut überlegen, ob sie auf eine Touristin schießen wollten.
"Shontelle!" protestierte Alan.
"Man kann Luis mit seinem dunkleren Teint und den dunklen Haaren leicht für einen Bolivianer halten. Sprich mit den Soldaten, Alan, und erklär ihnen, dass nur Touristen im Bus sind."
"Okay. Mach bitte die Tür auf, Luis." Er stand auf und versuchte, die Panzerbesatzung mit einer Handbewegung auf sich aufmerksam zu machen, während Luis öffnete.
"Geh nicht zu
Weitere Kostenlose Bücher