Scherben der Ehre
unternahmen sie ihre erste gemeinsame Reise; Cordelia begleitete Vorkosigan bei seiner regelmäßigen Pilgerfahrt in das kaiserliche Militärkrankenhaus in Vorbarr Sultana. Sie reisten in einem Bodenwagen, den sie vom Grafen geborgt hatten, wobei Bothari seine offensichtlich übliche Doppelfunktion als Fahrer und Leibwächter übernahm. Für Cordelia, die gerade erst begann, ihn gut genug zu kennen, um seine schweigsame Fassade zu durchschauen, schien er unter Spannung zu stehen. Er blickte unsicher über ihren Kopf hinweg; sie saß zwischen ihm und Vorkosigan.
»Haben Sie es ihr gesagt, Sir?«
»Ja, alles. Es ist in Ordnung, Sergeant.«
Cordelia fügte aufmunternd hinzu: »Ich denke, Sie tun das Richtige, Sergeant. Ich bin … hm … sehr erfreut darüber.«
Er entspannte sich etwas und lächelte fast. »Danke, Mylady.«
Sie studierte verstohlen sein Profil und dachte an das Bündel Schwierigkeiten, das er heute nach Vorkosigan Surleau mitbringen würde, zu der eigens dafür in Dienst genommenen Frau aus dem Dorf, und sie zweifelte ernstlich, ob er mit ihnen fertig werden würde. Sie wagte es, ein bisschen nachzubohren.
»Haben Sie darüber nachgedacht – was Sie ihr über ihre Mutter erzählen werden, wenn sie älter wird? Sie wird es schließlich zwangsläufig wissen wollen.«
Er nickte, schwieg zunächst, dann sagte er: »Werde ihr sagen, sie ist tot. Ihr sagen, wir waren verheiratet. Hierzulande ist es nicht gut, unehelich zu sein.« Seine Hand packte das Steuer fester. »Also wird sie es nicht sein. Niemand darf sie Bankert nennen.«
»Ich verstehe.« Viel Glück , dachte sie, und ging zu einer leichteren Frage über. »Wissen Sie, wie Sie sie nennen werden?«
»Elena.«
»Das ist hübsch. Elena Bothari.«
»Das war der Name ihrer Mutter.«
Cordelia war so überrascht, dass sie unvorsichtig bemerkte: »Ich dachte, Sie könnten sich nicht an Escobar erinnern!«
Es verging eine kleine Weile, dann sagte er: »Man kann die Gedächtnisdrogen austricksen, einige von ihnen, wenn man weiß, wie.«
Vorkosigan hob eine Augenbraue. Offensichtlich war dies auch für ihn neu. »Wie machen Sie das denn, Sergeant?«, fragte er in einem vorsichtig neutralen Ton.
»Jemand, den ich einmal kannte, hat es mir gesagt … Man schreibt nieder, woran man sich erinnern will, und denkt darüber nach. Dann versteckt man es – auf die gleiche Weise, wie wir immer Ihre geheimen Dateien vor Radnov versteckt haben, Sir –, das haben die ja auch nie herausgebracht. Wenn man zurückkommt, dann nimmt man den Zettel als erstes heraus, noch bevor der Magen sich wieder beruhigt hat, und schaut ihn an. Wenn man sich an eine Sache auf der Liste erinnern kann, dann kann man gewöhnlich auch das Übrige wieder herholen, bevor die Mediziner wiederkommen. Und dann macht man das wieder. Und immer wieder. Es hilft auch, wenn man einen … einen Gegenstand hat.«
»Hatten Sie … hm … einen Gegenstand?«, fragte Vorkosigan, sichtlich fasziniert.
»Ein Stück Haar.« Er schwieg wieder lange Zeit, dann sagte er unaufgefordert: »Sie hatte langes schwarzes Haar. Es roch gut.«
Cordelia, die die Hintergründe dieser Geschichte anrührten und nachdenklich stimmten, lehnte sich zurück und blickte durch das Verdeck nach draußen. Vorkosigan sah aus, als hätte er eine kleine Erleuchtung erlebt, wie jemand, der ein entscheidendes Stück in einem schwierigen Puzzle gefunden hat. Sie betrachtete die vielfältige Szenerie, genoss das klare Sonnenlicht, die Sommerluft, die kühl genug war, dass man keine Schutzvorrichtungen brauchte, und die kleinen Flecken von Grün und Gewässer in den Senken zwischen den Hügeln. Sie bemerkte auch noch etwas anderes.
Vorkosigan folgte der Richtung ihres Blicks. »Aha, du hast sie auch entdeckt, nicht wahr?« Bothari lächelte verhalten.
»Meinst du den Flieger, der uns nicht überholt?«, fragte Cordelia. »Weißt du, wer das ist?«
»Kaiserlicher Sicherheitsdienst.«
»Folgen sie dir immer in die Hauptstadt?«
»Sie folgen mir immer rund um die Uhr. Es war nicht leicht, die Leute zu überzeugen, dass es mir damit ernst war, in den Ruhestand zu treten. Bevor du kamst, amüsierte ich mich gewöhnlich damit, sie zur Weißglut zu bringen. Machte Sachen wie mich in meinem Flieger zu betrinken, während ich in Mondnächten in diesen Canons nach Süden flog. Mein Flieger ist neu. Sehr schnell. Das trieb sie zum Wahnsinn.«
»Himmel, das hört sich ja direkt lebensgefährlich an. Hast du das wirklich
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