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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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einging, als ich für diese Aufgabe ausgewählt wurde, aber auf so etwas wie diesen Mann war ich ganz und gar nicht eingestellt. Er war ein klassisches Beispiel. Ich bin überrascht, dass Sie ihm gedient haben.«
    Sein Gesicht wurde verschlossen. »Ich diene dem Kaiser.«
    Sie wurde sich Illyans Anwesenheit bewusst; er stand schweigend und wachsam da. Was sollte sie sagen, wenn Vorkosigan sie über den Konvoi befragte? Er war für ihre Pflicht eine größere Gefahr als die Folter. In den vergangenen Monaten hatte sie angefangen zu glauben, die Trennung müsste schließlich den Hunger ihres Herzens nach Vorkosigan schwächer werden lassen, aber als sie ihn jetzt lebendig und kraftvoll vor sich sah, wurde ihr Hunger fast zu einer Gier. Sie wusste allerdings nicht, was er empfand. Jetzt im Augenblick sah er müde, unsicher und gestresst aus.
    Falsch, alles falsch …
    »Ah, gestatten Sie mir Ihnen Leutnant Simon Illyan vorzustellen, vom persönlichen Sicherheitsstab des Kaisers. Er ist mein Spion. Leutnant Illyan, Kommandantin Naismith.«
    »Jetzt Captain Naismith«, warf sie automatisch ein. Der Leutnant schüttelte ihre Hand mit einer höflichen, ruhigen Arglosigkeit, die überhaupt nicht zu der bizarren Szene passte, die sie gerade verlassen hatten. Er hätte bei einem Empfang in einer Botschaft sein können. Ihre Berührung hinterließ einen Streifen Blut auf seiner Handfläche. »Hinter wem spionieren Sie her?«
    »Ich ziehe den Begriff ›Überwachung‹ vor«, sagte er. »Das sind bürokratische Doppelsinnigkeiten«, warf Vorkosigan ein. Zu Cordelia gewandt fügte er hinzu: »Der Leutnant spioniert mir nach. Er stellt einen Kompromiss dar zwischen dem Kaiser, dem Ministerium für Politische Erziehung und mir selbst.«
    »Der Ausdruck, den der Kaiser benutzte«, sagte Illyan distanziert, »war ›zeitweiliger Waffenstillstand‹.«
    »Ja. Leutnant Illyan verfügt auch über einen eidetischen Gedächtnischip. Sie können ihn als ein Aufnahmegerät auf zwei Beinen betrachten, das der Kaiser nach Belieben abspielen kann.«
    Cordelia blickte ihn verstohlen an. »Zu schade, dass wir uns nicht unter günstigeren Umständen wiederbegegnen konnten«, sagte sie vorsichtig zu Vorkosigan.
    »Hier gibt es keine günstigen Umstände.« Leutnant Illyan räusperte sich und warf einen Blick auf Bothari, der dastand, immerzu seine Finger ineinander verschränkte und wieder löste und die Wand anstarrte.
    »Was jetzt, Sir?«
    »Hm. Für einen Versuch, an dem Szenarium herumzupfuschen, gibt es insgesamt zu viele handfeste Beweise in Vorrutyers Kabine, nicht zu erwähnen die Zeugen dafür wer wann hineingegangen ist. Ich persönlich würde es vorziehen, wenn Bothari überhaupt nicht dort gewesen wäre. Die Tatsache, dass er sichtlich nicht zurechnungsfähig ist, wird den Prinzen nicht beeindrucken, wenn er Wind von der Sache bekommt.« Er stand da und dachte angestrengt nach. »Also, Sie müssen einfach geflohen sein, bevor Illyan und ich auf der Szene erschienen. Ich weiß nicht, wie lang es möglich sein wird, Bothari hier drinnen zu verstecken – vielleicht kann ich ein paar Beruhigungsmittel für ihn bekommen.« Sein Blick fiel auf Illyan.
    »Wie steht es mit dem Agenten des kaiserlichen Stabs in der medizinischen Abteilung?«
    Illyan blickte zurückhaltend drein. »Es ist möglich, dass etwas arrangiert werden könnte.«
    »Ein guter Mann.« Vorkosigan wandte sich an Cordelia. »Sie werden hier drin bleiben und Bothari unter Kontrolle halten müssen. Illyan und ich müssen auf der Stelle gehen, oder es wird zu viele nicht erklärbare Minuten geben zwischen dem Zeitpunkt, als wir Vorhalas verließen, und dem Augenblick, wo wir Alarm schlagen. Die Sicherheitsleute des Prinzen werden Vorrutyers Kabine gründlich überprüfen, und ebenso jedermanns Bewegungen.«
    »Gehörten Vorrutyer und der Prinz derselben Partei an?«, fragte Cordelia, die nach festem Grund in dem Stromwirbeln der barrayaranischen Politik suchte. Vorkosigan lächelte bitter. »Sie waren einfach gute Freunde.«
    Und dann war er verschwunden und ließ sie allein mit Bothari und ihrer totalen Verwirrung.
    Sie brachte Bothari dazu, sich auf Vorkosigans Schreibtischstuhl zu setzen, wo er zwar schwieg, aber unaufhörlich herumzappelte. Sie saß mit überkreuzten Beinen auf dem Bett und versuchte, sich den Anschein von ruhiger Beherrschtheit und guter Laune zu geben. Das war nicht einfach, denn die Panik, von der sie erfüllt war suchte ein Ventil. Bothari stand auf

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