Scherben der Ehre
Thron sein könnte.«
»Kaum. Wenn Ezar Vorbarra sagen würde: ›Sie sind ein Frosch‹, dann würde er hüpfen und quaken. Nein. Es gibt nur einen Kaiser auf Barrayar, und der erlaubt niemandem, hinter ihn zu treten. Er erinnert sich noch daran, wie er an die Macht gekommen ist.«
Sie streckte sich und zuckte bei dem Schmerz in ihrer Seite zusammen.
»Etwas nicht in Ordnung?«, fragte er sofort besorgt.
»Oh, Bothari hat mich mit seinem Knie erwischt, als wir diese Auseinandersetzung wegen dem Beruhigungsmittel hatten. Ich dachte, man würde uns sicher hören. Ich bekam eine höllische Angst.«
»Darf ich mal sehen?« Seine Finger glitten sanft an ihren Rippen entlang.
In ihrer Vorstellung hinterließen sie eine Spur von Licht in den Farben des Regenbogens.
»Au!«
»Ja. Zwei Ihrer Rippen sind angebrochen.«
»Das dachte ich mir schon. Ich hatte Glück, dass es nicht der Hals war.« Sie legte sich hin. Er verpasste ihr einen behelfsmäßigen Verband aus Stoffstreifen und setzte sich dann neben sie auf sein Bett. »Haben Sie schon einmal daran gedacht, alles hinzuschmeißen und irgendwo hinzugehen, wo niemand sich darum kümmert?«, fragte Cordelia. »Zum Beispiel auf die Erde.«
Er lächelte. »Oft. Ich hatte es mir sogar ein bisschen in der Phantasie ausgemalt, nach Kolonie Beta auszuwandern und mich dort auf Ihrer Türschwelle einzufinden. Haben Sie eine Türschwelle?«
»Nicht in dieser Form, aber erzählen Sie nur weiter.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich mir dort den Lebensunterhalt verdienen könnte. Ich bin Stratege, kein Techniker oder Navigator oder Pilot, deshalb könnte ich nicht zu eurer Handelsflotte gehen. Sie würden mich kaum zu eurem Militär nehmen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in ein Amt gewählt würde.«
Cordelia prustete. »Würde das nicht Steady Freddy erschrecken?«
»Nennen Sie so Ihren Präsidenten?«
»Ich habe nicht für ihn gestimmt.«
»Die einzige Anstellung, die ich mir denken kann, wäre die eines Lehrers der Kampfkünste, als Sport. Würden Sie einen Judolehrer heiraten, lieber Captain? Aber nein«, er seufzte, »Barrayar steckt mir in den Knochen. Ich kann es nicht abschütteln, egal wie weit ich reise. Dieser Kampf, Gott weiß es, bringt keine Ehre ein. Aber ein Exil mit keinem anderen Motiv als einem angenehmen Leben – das hieße, alle Hoffnung auf Ehre aufzugeben.
Das wäre die letzte Niederlage ohne einen darin enthaltenen Samen für einen zukünftigen Sieg.«
Sie dachte an die todbringende Fracht, die sie im Konvoi begleitet hatte und die jetzt auf Escobar sicher war. Verglichen mit all den Menschenleben, die daran hingen, wogen ihres und das von Vorkosigan weniger als eine Feder. Es kam ihr vor als interpretierte er den Kummer in ihrem Gesicht fälschlicherweise als Angst.
»Es ist nicht wie das Erwachen aus einem Alptraum, wenn man Ihr Gesicht sieht.« Er berührte sie sanft mit den Fingerspitzen an der Kurve ihrer Wange und legte seinen Daumen einen Moment auf ihre Lippen, leichter als ein Kuss. »Es ist eher als wisse man, während man noch träumt, dass es jenseits des Traums eine Welt des Erwachens gibt. Ich möchte mich eines Tages mit ihnen in dieser Welt des Erwachens verbinden. Warten Sie’s ab, warten Sie’s ab!« Er drückte ihre Hand und lächelte aufmunternd.
Am Boden bewegte sich Bothari und stöhnte.
»Ich werde mich um ihn kümmern«, sagte Vorkosigan. »Schlafen Sie ein wenig, solange Sie können.«
Kapitel 9
Cordelia wachte von Bewegungen und Stimmen auf. Vorkosigan erhob sich aus seinem Stuhl, Illyan stand vor ihm, straff gespannt wie eine Bogensehne, und sagte: »Vorhalas und der Prinz! Hier! Jetzt!«
»Scheißk …« Vorkosigan drehte sich auf dem Absatz herum und suchte mit den Augen den kleinen Raum ab. »Das Bad muss dafür herhalten. Packen wir ihn in die Dusche.«
Schnell hoben sie Bothari hoch, Vorkosigan an den Schultern und Illyan an den Füßen, rumpelten durch die enge Tür und ließen ihn hastig in die Duschwanne fallen.
»Braucht er noch mehr von dem Beruhigungsmittel?«, fragte Illyan.
»Vielleicht ist es besser. Cordelia, geben Sie ihm noch eine Ampulle. Es ist zu früh, aber es würde den Tod für euch beide bedeuten, wenn er jetzt einen Laut von sich gibt.« Er schob sie in den Raum, der die Größe einer Speisekammer hatte, drückte ihr die Droge in die Hand und schaltete das Licht aus. »Kein Geräusch, keine Bewegung!«
»Die Tür schließen?«, fragte Illyan.
»Halb.
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