Scherben der Ehre
Lehnen Sie sich an den Türrahmen, schauen Sie zwanglos aus und lassen Sie den Leibwächter des Prinzen nicht Ihren psychologischen Raum betreten.« Cordelia suchte sich in der Dunkelheit tastend ihren Weg, kniete nieder und drückte eine weitere Spritze des Sedativs in den Arm des bewusstlosen Sergeanten. Sie setzte sich auf den Platz, der sich logisch hierfür anbot, und entdeckte, dass sie gerade einen schmalen Ausschnitt von Vorkosigans Kabine im Spiegel sehen konnte, verkehrt herum und desorientierend. Sie hörte, wie sich die Kabinentür öffnete und neue Stimmen erklangen.
»… wenn Sie nicht auch vorhaben, ihn offiziell seiner Pflichten zu entheben, dann werde ich auch weiterhin den Standardprozeduren folgen. Ich habe den Raum gesehen. Ihre Anschuldigung ist unsinnig.«
»Wir werden sehen«, erwiderte die zweite Stimme, gepresst und ärgerlich.
»Hallo, Aral.« Der erste Sprecher ein Offizier von vielleicht fünfzig Jahren in grüner Uniform, schüttelte Vorkosigans Hand und übergab ihm einen Packen Datendisketten. »Wir starten innerhalb einer Stunde in Richtung Escobar. Ein Kurier hat das hier gerade gebracht – die neuesten Hardcopy-Updates. Ich habe angeordnet, dass Sie über die Ereignisse auf dem laufenden gehalten werden. Die Escos sind überall auf dem Rückzug. Sie haben sogar den harten Kampf um den Wurmlochsprung nach Tau Ceti aufgegeben. Wir treiben sie vor uns her.«
Der zweite Mann trug auch eine grüne Uniform; sie war mit mehr Gold verziert als jede Uniform, die Cordelia bisher gesehen hatte.
Juwelenbesetzte Auszeichnungen auf seiner Brust glitzerten und blinkten im Licht von Vorkosigans Schreibtischlampe wie die Augen von Eidechsen. Er war etwa dreißig und hatte schwarzes Haar. Sein rechteckiges Gesicht wirkte angespannt, die Augen waren zusammengekniffen, die dünnen Lippen verdrießlich aufeinandergepresst.
»Sie gehen doch nicht beide, oder?«, sagte Vorkosigan. »Der ranghöhere Offizier sollte von rechts wegen auf dem Flaggschiff bleiben. Jetzt, da Vorrutyer tot ist, gehen seine Pflichten auf den Prinzen über. Die Hund-und-Pony-Show, die Sie geplant hatten, basierte auf der Annahme, dass Vorrutyer noch auf seinem Posten wäre.«
Prinz Serg wurde starr vor Empörung: »Ich werde meine Truppen gegen Escobar führen! Sollen doch mein Vater und seine Freunde jetzt noch mal sagen, ich sei kein Soldat!«
»Sie werden«, sagte Vorkosigan müde, »in diesem befestigten Palast sitzen, mit dessen Konstruktion die Hälfte der Ingenieure beschäftigt ist, und darin Parties feiern und Ihre Männer für sich sterben lassen, bis Sie sich Ihren Grund und Boden mit dem bloßen Gewicht der darauf aufgehäuften Leichen erkauft haben, weil dies die Art von Soldatentum ist, die Ihr Mentor Sie gelehrt hat. Und dann schicken Sie Bulletins nach Hause über Ihren großen Sieg. Vielleicht können Sie die Verlustlisten zum Staatsgeheimnis erklären lassen.«
»Aral, seien Sie bloß vorsichtig«, warnte Vorhalas schockiert.
»Sie gehen zu weit«, knurrte der Prinz. »Besonders als ein Mann, der nicht näher an die Kämpfe herankommen wird, weil er an dem Wurmlochausgang klebt, der nach Hause führt. Falls ausgerechnet Sie von übertriebener Vorsicht reden wollen.« Sein Ton machte deutlich, dass dieser Ausdruck ein Euphemismus für einen weit hässlicheren Begriff sein sollte.
»Sie können mir doch nicht zuerst Stubenarrest befehlen und mich dann der Feigheit bezichtigen, weil ich nicht an der Front bin, Sir. Selbst die Propaganda von Minister Grishnov täuscht mehr Logik vor.«
»Das hätten Sie wohl gern, nicht wahr Vorkosigan«, zischte der Prinz.
»Mich hier zurückhalten und dann den ganzen Ruhm für sich selbst ernten, und für diesen verschrumpelten Clown Vortala und seine Scheinliberalen. Nur über meine Leiche! Sie werden hier drinnen sitzen bleiben, bis Sie schimmelig werden.«
Vorkosigan biss die Zähne zusammen, seine Augen verengten sich und sein Blick war nicht zu deuten. Über seine Lippen huschte ein bleiches Lächeln. »Ich muss in aller Form protestieren. Wenn Sie mit den Bodentruppen auf Escobar landen, verlassen Sie Ihren eigentlichen Posten.«
»Protestieren Sie nur immer zu.« Der Prinz kam ganz nahe an ihn heran, beugte sich ihm ins Gesicht und senkte die Stimme: »Aber selbst mein Vater lebt nicht ewig. Und wenn der Tag X kommt, dann kann auch Ihr Vater Sie nicht länger schützen. Sie und Vortala und alle seine Kumpane werden die ersten sein, die an die Wand gestellt
Weitere Kostenlose Bücher