Scherben der Ehre
und enger zusammenzog. Sie bemühte sich, ihr Lächeln beizubehalten und nicht in ein Knurren zu verfallen. »Das ist ein juristischer Begriff, an den ich nie gedacht hätte. Er klingt – fast barrayaranisch. Ich möchte nicht, dass Sie sich weiter mit meinem Fall befassen«, fügte sie abrupt hinzu.
Mehta machte sich eine Notiz und blickte lächelnd auf.
»Das ist keine emotionale Aussage«, betonte Cordelia. »Das ist eine rechtliche Forderung. Ich lehne jede weitere Behandlung durch Sie ab.«
Mehta nickte verständnisvoll. War die Frau taub? »Enormer Fortschritt«, sagte Mehta glücklich. »Ich hätte nicht erwartet, schon in der ersten Woche die Aversionsabwehr aufzudecken.«
»Was?«
»Sie haben doch nicht etwa erwartet, dass die Barrayaraner soviel Arbeit in Sie investieren, ohne darum herum eine Abwehr einzupflanzen? Natürlich haben Sie feindselige Gefühle. Sie müssen sich nur daran erinnern, dass dies nicht Ihre eigenen Gefühle sind. Morgen werden wir daran arbeiten.«
»O nein, werden wir nicht!« Die Muskeln an Cordelias Kopfhaut waren gespannt wie Draht. Sie hatte wilde Kopfschmerzen. »Sie sind gefeuert!«
Mehta blickte erwartungsvoll drein. »Oh, ausgezeichnet!«
»Haben Sie mir überhaupt zugehört?«, wollte Cordelia wissen. Woher ist nur dieses kreischende Winseln in meiner Stimme gekommen? Ruhig bleiben, ruhig bleiben …
»Captain Naismith, ich erinnere Sie daran, dass wir keine Zivilisten sind. Ich habe mit Ihnen keine gewöhnliche Arzt-Patienten-Beziehung; wir unterstehen beide der militärischen Disziplin und verfolgen, wie ich Grund zu glauben habe, ein militärisches … – ach, lassen wir’s. Es soll genügen, wenn ich Ihnen sage, dass Sie mich nicht engagiert haben und mich somit nicht feuern können. Also dann, bis morgen.«
Cordelia blieb noch stundenlang sitzen, nachdem Mehta gegangen war, starrte die Wand an und schlug mit ihren Beinen geistesabwesend gegen die Seite der Couch, bis ihre Mutter mit dem Abendessen nach Hause kam.
Am nächsten Tag verließ sie das Appartement früh am Morgen zu einer ziellosen Tour durch die Stadt und kehrte erst spät in der Nacht heim.
In dieser Nacht setzte sie sich in ihrer Erschöpfung und Einsamkeit hin, um ihren ersten Brief an Vorkosigan zu schreiben. Ihren ersten Versuch warf sie halb fertig weg, als ihr bewusst wurde, dass seine Post vermutlich von anderen gelesen wurde, vielleicht von Illyan. Ihr zweiter Entwurf war neutraler formuliert. Sie schrieb mit der Hand auf Papier, und da sie allein war, küsste sie den Brief, bevor sie ihn ins Kuvert schloss, dann lächelte sie bitter über diese Geste. Ein papierener Brief nach Barrayar war viel teurer als ein elektronischer, aber Vorkosigan würde ihn mit den Händen berühren, wie sie es getan hatte. Ein Brief kam einer Berührung so nahe, wie es unter ihren jetzigen Bedingungen nur möglich war.
Am nächsten Morgen rief Mehta früh über die Kornkonsole an, um Cordelia fröhlich mitzuteilen, dass sie sich entspannen könne; etwas sei dazwischengekommen, und ihre Sitzung für diesen Nachmittag sei abgesagt. Cordelias Abwesenheit am vorausgegangenen Nachmittag erwähnte sie mit keinem Wort.
Cordelia war zuerst erleichtert, bis sie darüber nachzudenken begann. Nur um sicher zu sein, ging sie wieder aus dem Haus. Der Tag hätte angenehm werden können, wenn es nicht einen Krach mit ein paar Journalisten gegeben hätte, die am Schacht zu ihrem Appartement auf der Lauer lagen, und wenn sie nicht mitten am Nachmittag entdeckt hätte, dass ihr zwei Männer in sehr unauffälligen zivilen Sarongs folgten. Sarongs waren letztes Jahr Mode gewesen; die diesjährige Mode war exotische und drollige Körperbemalung, zumindest für die Mutigen. Cordelia, die ihre alte gelbbraune Uniform vom Erkundungsdienst trug, schüttelte sie ab, indem sie sie durch eine pornographische Feelie-Show schleifte. Aber sie tauchten später am Nachmittag wieder auf, als sie sich im Zoo von Silica herumtrieb.
Am nächsten Nachmittag läutete die Türglocke um die Zeit, da Mehta kommen sollte. Cordelia latschte widerwillig zur Tür. Wie soll ich sie heute behandeln? fragte sie sich. Mir bleiben die Einfälle aus. So müde …
Ihr wurde weich in den Knien. Was nun? Vor der Tür standen Mehta, Kommodore Tailor und ein stämmiger Medizintechniker. Der sieht aus, dachte Cordelia bei seinem Anblick, als würde er sogar mit Bothari fertig.
Sie trat beiseite und führte sie in das Wohnzimmer ihrer Mutter. Die Mutter zog
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