Scherben der Ehre
sich unter dem Vorwand, Kaffee zu kochen, in die Küche zurück.
Kommodore Tailor setzte sich und räusperte sich nervös. »Cordelia, ich muss Ihnen etwas sagen, das ein bisschen schmerzlich sein wird, wie ich fürchte.« Cordelia ließ sich auf der Armlehne eines Sessels nieder, ließ ihre Beine baumeln und zeigte mit einem – wie sie hoffte – höflichen Lächeln die Zähne. »Hat m-man Ihnen die Drecksarbeit aufgeladen, was? Eine der Freuden der Führung. Rücken Sie raus damit!«
»Wir müssen Sie bitten, einer Einweisung ins Krankenhaus für eine weitere Therapie zuzustimmen.« Lieber Gott, jetzt geht’s los. Ihre Bauchmuskeln zitterten unter ihrem Hemd; es war ein weites Hemd, vielleicht würden sie’s nicht merken. »Oh? Warum?«, fragte sie lässig.
»Wir befürchten … wir befürchten sehr stark, dass die mentale Programmierung, der die Barrayaraner Sie unterzogen haben, viel umfassender war, als wir alle es uns bisher vorgestellt haben. Wir glauben tatsächlich …« – er machte eine Pause und holte tief Luft –, »dass sie versucht haben, aus Ihnen eine Agentin zu machen.«
Ist das ein redaktionelles oder ein kaiserliches »Wir«, Bill? »Versucht oder Erfolg gehabt?«
Tailors Blick wurde unsicher. Mehta blickte ihn kühl und fest an. »Unsere Meinung darüber ist geteilt …« Bemerkt, liebe Zuhörer, wie eifrig er das ›Ich‹ der persönlichen Verantwortung vermeidet – das deutet auf das schlimmste ›Wir‹ von allen hin, das schuldbewusste ›Wir‹ – was, zum Teufel, planen die denn?
»… aber dieser Brief, den Sie vorgestern an den barrayaranischen Admiral, an Vorkosigan, geschrieben haben – wir dachten, Sie sollten zuerst eine Chance haben, ihn zu erklären.«
»Ich v-verstehe.« Habt ihr es also doch gewagt! »Kein offizieller B-Brief. Wie könnte er das auch sein? Sie wissen, dass Vorkosigan jetzt außer Dienst ist. Aber vielleicht würden Sie«, ihr Blick fixierte Tailor, »so freundlich sein zu erklären, mit welchem Recht Sie meine private Post abfangen und lesen?«
»Sicherheitserwägungen in einem Ausnahmezustand. Wegen des Krieges.«
»Der Krieg ist doch vorbei.«
Auf diesen Einwurf blickte er unsicher drein. »Aber die Spionage geht weiter.«
Vermutlich stimmte das. Sie hatte sich oft gefragt, wie Ezar Vorbarra an das Wissen über den Plasmaspiegel gekommen war, der bis zum Krieg von allen neuen Waffen im betanischen Arsenal am strengsten bewacht gewesen war. Ihr Fuß klopfte nervös auf den Boden. Sie hielt inne. »Mein Brief.« Mein Herz, auf Papier – Papier wickelt Stein … Sie sprach mit kühler Stimme: »Und was haben Sie aus meinem Brief erfahren, Bill?«
»Nun, das ist ein Problem. Wir haben unsere besten Kryptographen und unsere modernsten Computerprogramme fast volle zwei Tage darauf angesetzt und ihn bis zur Molekularstruktur des Papiers analysiert. Offen gesagt«, er blickte ziemlich gereizt auf Mehta, »bin ich nicht überzeugt, dass man irgend etwas gefunden hat.«
Nein , dachte Cordelia, ihr würdet nichts finden. Das Geheimnis war in dem Kuss. Nicht greifbar für eine Molekularanalyse. Sie seufzte deprimiert.
»Haben Sie ihn weitergeschickt, nachdem Sie damit fertig waren?«
»Nun ja – ich fürchte, da war dann nicht mehr viel davon übrig.«
Schere schneidet Papier … »Ich bin keine Agentin. Ich gebe Ihnen mein Wort.«
Mehta blickte wachsam auf.
»Ich finde es selbst schwer zu glauben«, sagte Tailor. Cordelia versuchte, seinen Blick festzuhalten, er schaute jedoch weg. Du glaubst es doch , dachte sie. »Was geschieht, wenn ich die Einweisung ablehne?«
»Dann muss ich Ihnen als Ihr vorgesetzter Offizier die Einweisung befehlen.«
Ich werd’ den Teufel tun – nein, ruhig! Ich muss ruhig bleiben, sie weiter reden lassen, vielleicht kann ich durch Reden einen Ausweg finden. »Sogar, wenn das gegen Ihre persönliche Einsicht geht?«
»Das ist eine ernste Sicherheitsangelegenheit. Ich fürchte, das lässt kein persönliches Ermessen zu.«
»Ach, kommen Sie. Sogar von Oberst Negri weiß man, dass er persönlichem Ermessen folgt.« Jetzt hatte sie etwas Falsches gesagt . In dem Zimmer schien plötzlich die Temperatur zu sinken.
»Wie wissen Sie etwas von Oberst Negri?«, sagte Tailor eisig.
»Jedermann weiß von Oberst Negri.« Beide starrten sie an. »Ach, k-kommen Sie! Wenn ich eine Agentin von Negri wäre, dann würden Sie es nie erfahren. So unfähig ist er nicht!«
»Im Gegenteil«, sagte Mehta in einem schneidigen Ton,
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