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Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ruhkieck
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empfänglicher dafür war als andere. Ich weiß es nicht.«
    »Erzähl mir mehr«, forderte er sie begierig auf.
    Vanessa nickte. »Wenn du klein bist, bekommst du ständig gesagt, dass die Jungs in deiner Klasse dich mögen, wenn sie dir an den Haaren ziehen. Und ich wusste immer, dass es stimmt.« Sie machte eine Pause, ganz so, als suche sie nach Worten, bevor sie dann fortfuhr: »Ich hatte eine Freundin, als ich elf war. Ihr Name war Janine. Sie war immer irgendwie seltsam, und eines Abends, als sie bei mir übernachtete, erzählte sie mir ihr Geheimnis. Das war der Tag, an dem es mir zum ersten Mal richtig bewusst wurde.« Vanessa befeuchtete ihre Lippen. »Janine wurde von ihren Eltern geschlagen – natürlich nur, weil sie ihre Tochter so sehr liebten und nur ihr Bestes wollten. Ich habe ihr geglaubt – und ich war neidisch.«
    »Du hast sie beneidet, weil ihre Eltern sie verprügelt h aben?«
    »War es denn kein Akt der Zuneigung? Janine behauptete es jedenfalls, und ich habe ihr ohne zu zögern und bedingung slos vertraut. Es passte ja auch zu dem, was meine Eltern über die Jungs in meiner Klasse gesagt haben. Natürlich beneidete ich Janine! Ihre Eltern liebten sie! Meine dagegen rührten mich nie an. Ich habe niemals eine Ohrfeige von ihnen bekommen, niemals haben sie mir den Hintern versohlt. Ich war meine ganze Jugend über schwer unglücklich und depressiv, weil ich glaubte, meine Eltern würden mich hassen.«
    Thox legte seine Hand auf ihr nacktes Schienbein, eine u nbewusste Geste, die ihm erst auffiel, als er ihre weiche Haut spürte.
    »Natürlich haben sie mich nicht gehasst. Ich glaube, sie lie bten mich sogar sehr. Sie waren sehr fürsorglich und haben mir jeden Tag gesagt, dass sie mich lieben. Aber ich habe das nicht verstanden. Einmal habe ich die Bettdecke in meinem Kinderzimmer angezündet, aber selbst da haben sie mir ihre Liebe nicht beweisen können. Sie haben geweint und geschrien und waren glücklich, dass mir nichts geschehen war, aber geschlagen haben sie mich nicht. Ich bin ausgezogen, sobald ich 18 war. Ich konnte dieses Gefühl, ungeliebt zu sein, einfach nicht mehr ertragen. Sie haben das nie verstanden. Seitdem ich weg bin, haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Sie wissen nicht einmal, wo ich wohne. Ich glaube, ich habe meine Eltern sehr unglücklich gemacht, aber damit muss ich leben.«
    Thox wollte etwas sagen, doch er wusste nicht was, und so ließ er es sein. Und Vanessa redete auch schon weiter.
    »Als ich 14 war, gab es da diesen Jungen, vor dem alle Angst hatten. Sein Name war Moritz. Eines Tages erwischte er mich auf dem Nachhauseweg und drohte mir, mich zu verletzen. Er wollte mir Angst machen, indem er behauptete, er würde mir den Finger brechen. Ich hielt ihm meine Hand hin und forderte ihn auf, es zu tun. Und er tat es auch. Er hat meinen kleinen Finger in die Hand genommen und einfach nach hinten gedrückt. Das Geräusch, das mein Knochen gemacht hat, habe ich niemals vergessen. Es verfolgt mich bis in meine Träume, und es sind die schönsten Träume, die ich mir vorstellen kann. Moritz hat danach Panik bekommen, scheinbar konnte er nicht glauben, dass er es wirklich getan hatte. Er schrie und weinte wie ein Mädchen und ist dann einfach weggelaufen. Er ließ mich alleine stehen und ergriff die Flucht. Moritz war später mein erster fester Freund. Du musst wissen, ich entwickelte bei ihm zum ersten Mal gewisse … Tendenzen. Ich konnte nicht vergessen, was er getan hatte. Ich war mir sicher, dass er mich mochte, und auch ich war plötzlich wie besessen von ihm. Ich habe ständig seine Nähe gesucht, und irgendwann hat er sie auch zugelassen. Mit ihm hatte ich meinen ersten Sex. Er war ungeschickt und hat mir wehgetan, aber ich denke, das war nicht mit Absicht. Aber was für andere ein schreckliches Erlebnis wäre, hat mich sehr glücklich gemacht. Ich hatte nie wieder besseren Sex. Danach hat Moritz mir nie wieder wehgetan, woraufhin ich mit ihm Schluss gemacht habe. Das war an dem Tag, nachdem der Verband mit der Schiene von meinem kleinen Finger entfernt wurde.«
    Thox begriff immer deutlicher, wie Vanessa sich fühlte, und allmählich wuchs auch die Ahnung, was sie daran so quälte, was es vermutlich bedeutete, so zu empfinden. »E rzähl mir noch mehr«, bat er sie drängend.
    Vanessa sah ihn nun zögernd an. »Warum interessiert dich das überhaupt?«
    Er wurde sich plötzlich wieder seiner Hand auf ihrem Bein bewusst und zog sie zurück. »Du

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