Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Schritte zur Seite und zog das kleine Telefon aus ihrer Hosentasche. Obwohl die Schmerzen noch nicht abgeklungen waren, versuchte Jonas, sie genau zu beobachten. Ihre Reaktion nach dem Blick auf das Display genügte, um ihm zu sagen, dass dieser Anruf schwerwiege nde Folgen haben würde.
»Was ist?«, fragte sie schroff in ihr Handy. Ihre Stirn lag nun in Falten, und sie gab sich die größte Mühe, nicht zu J onas hinüberzusehen. »… Nein, noch nicht …«, fuhr sie das Gespräch mit dem unbekannten Anrufer fort. »Hör auf damit, hörst du … Nein, ich … Verdammt, so war das aber nicht … Du beschissener Lügner! Nein, nicht …« Sie war blass geworden, doch ihre Körpersprache zeigte, wie unruhig sie tatsächlich war. Das Gespräch schien zu Ende, denn sie warf das Telefon aufgebracht gegen eine Wand. Jonas duckte sich unter den herumfliegenden Kleinteilen des zerschmetterten Handys.
»Verdammte Scheiße!«, schrie Vanessa und trat gegen ein Bücherregal, das g efährlich zu wackeln anfing.
Jonas richtete sich wieder auf. Adrenalin strömte durch se inen Körper, und ein wahnwitziger Gedanke eroberte sein Gehirn. »Wer war das?«, fragte er unruhig. »War das Thox am Telefon? Verdammt Vanessa, sprich mit mir!«
Doch Vanessa schüttelte nur den Kopf. Sie wirkte plöt zlich verschüchtert und aufgewühlt, ihre Selbstsicherheit war verflogen, und sie lief unruhig im Raum auf und ab. »Ich … ich kann nicht«, flüsterte sie durcheinander.
Doch Jonas wollte nicht aufgeben. Er wusste genau, – er wusste es einfach – dass er auf der richtigen Spur war. »Dann war das also Thox?!«
Vanessa schüttelte den Kopf. »Er … Verdammte Scheiße!« Dann schlug sie sich die Hand vor den Mund.
Jonas sah seine Vermutung bestätigt. Thox lebte also noch! Aber was war hier los, und warum wirkte Vanessa plötzlich wie ein kleines, verängstigtes Reh?
»Binde mich los, Vanessa!«, forderte er sie auf. Nun würde er das Ruder in die Hand nehmen und es nicht wieder abgeben – schon gar nicht an sie.
Doch Vanessa schüttelte erneut den Kopf. Sie blieb stehen und sah ihn nun doch an, und in ihren Augen schimmerten Tränen. »Das geht nicht!« Sie wirkte beinahe entschuldigend.
»Wieso nicht?«
»Ich … ich habe es versprochen!«
Jonas versuchte unruhig, sich auf dem Stuhl in eine aufrechtere Position zu bringen. »Wem hast du es versprochen?«, fragte er noch einmal, und er konnte sehen, dass Vanessa kurz davor war, emotional in die Knie zu gehen.
Und dann brach sie zusammen. »Ja, okay, du hast ja recht, Jonas. Das war Thox am Telefon. Wir … wir wollten dich doch nur etwas bluten lassen, verstehst du das denn nicht?« Ihr Bedauern war verschwunden – ebenso wie ihre feuchten Augen. Nun schien sie in eine verzweifelte Defensive gega ngen zu sein, aus der sie neue Kraft schöpfte. Dennoch ließ sie sich auf den Fußboden sinken und nahm eine zusammengekauerte Position ein. Mit den Armen um ihre angezogene Beinen geklammert, sah sie aus, als würde sie frieren. Ihre Körpersprache wollte so einfach nicht zu dem verteidigenden Ton in ihrer Stimme passen.
Jonas konnte es kaum glauben. Thox wollte ihn bluten la ssen? Nach allem, was sie zusammen erlebt hatten, nur weil er, Jonas, nicht dazu bereit gewesen war, die Frau zu opfern, die er liebte? Wirklich liebte. Aufrichtig.
»Was ist passiert?«, fragte er Vanessa schließlich. Er musste die Wahrheit wi ssen, er konnte nicht einfach weiter machen, ohne zu erfahren, was sein bester Freund für ihn geplant hatte.
Vanessa schloss die Augen und knetete unruhig ihre Hä nde. »Der beschissene Idiot will sich nicht an unsere Abmachung halten.«
Jonas wurde abermals flau im Magen. »Welche Abm achung?«
»Ich kann nicht!« Sie schüttelte den Kopf.
»Was hat Thox dir erzählt?«, hakte er nach.
Vanessa öffnete die Augen und hob den Kopf. »Alles, J onas! Er hat mir alles erzählt!«, zischte sie und ließ keinen Zweifel daran, welche Abneigung sie gegen ihn hegte.
»Du solltest dich da besser raushalten, Vanessa. Du hast nichts damit zu tun, es geht dich nichts an!«
Mit einem Ausdruck von Fassungslosigkeit funkelte sie ihn wütend an. »Es geht mich nichts an? Weil du damals Scheiße gebaut hast, sollte ich sterben! Es geht niemanden mehr an als mich!«
Da hatte er es! Das war so typisch für Thox, und doch war es vorauszusehen gewesen. Jonas lachte freudlos auf. »Ha! Ich habe damals Scheiße gebaut? Ist es das, was Thox dir erzählt hat?«
Erste Zweifel
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