Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ruhkieck
Vom Netzwerk:
Straße, und sie roch nach Moos und Erde. Auf dem Boden lagen tote, vertrocknete Blätter, von der Sonne einst der Kraft beraubt, obwohl diese ihnen eigentlich das Leben schenken sollte. Äste von verdorrten Bäumen hingen tief über Nickys Kopf und streiften immer wieder sein Haar.
    Bald war er da. Doch noch bevor er den alten Baum ganz erreicht hatte, konnte er schon sehen, dass etwas nicht stimmte. Das Licht und herabhängende Zweige verschlec hterten seine Sicht, doch es sah aus, als würde am Boden etwas gegen den Baum lehnen. Verunsichert kämpfte er sich weiter vor, und je näher er dem Baum kam, desto deutlicher wurde, dass es sich nicht um ein ‚Etwas‘ handelte.
    Es war ein Jemand.
    Als Nicky endlich erkannte, dass Stine auf dem Boden vor dem Baum hockte, hatte er seine Chance bereits vertan. Es war zu spät. Conny kam hinter einem Baum hervorgesprungen und klopfte Nicky enthusiastisch auf die Schultern.
    »Da bist du ja endlich, Alter!«, rief er ohne den Versuch, d abei leise zu sein. Ihm war absolut klar, ebenso wie Nicky selbst, dass ihn niemand hören konnte.
    Außer Stine.
    Nicky wusste nicht, was er sagen sollte und sah fassungslos zu ihr herunter. Als erstes fiel ihm auf, dass sie an diesem Tag einen Rock trug. Es war ein knielanger, dunkelblauer Faltenrock, der züchtig platziert ihre Oberschenkel verdeckte, und augenblicklich verspürte Nicky so etwas wie Bedauern. Noch nie hatte er Stine in einem Rock gesehen, immerzu hatte sie kurze Hosen getragen. Heute nun keinen Blick auf ihre grazilen, wohlgeformten Oberschenkel werfen zu können, enttäuschte ihn. Doch dann sah Nicky hoch und entdeckte etwas, das ihn Stines Beine vergessen ließ.
    Ihr Mund war zugeklebt, ebenso wie die Augen, großzügig mit Klebeband, meh rfach um den Kopf gewickelt. Und jetzt erkannte er auch, dass ihre Hände auf dem Rücken eng zusammengebunden waren, ebenfalls mit braunem Klebeband. Dadurch wurden ihre Schultern nach vorne gepresst, was ihr eine besonders aufrechte Körperhaltung verlieh. Nicky konnte ihrem Gesicht deutlich ansehen, dass die Fesseln ihr Schmerzen bereiteten, doch zu seinem Erstaunen gab sie keinen Ton von sich. Sie war vollkommen ruhig, als hätte sie sich mit ihrer Lage bereits abgefunden.
    »Sag mal, spinnst du, Conny? Was soll das?«, rief Nicky fa ssungslos und deutete auf Stine.
    Bei dem Geräusch seiner Worte zuckte Stine plötzlich z usammen. Sicher hatte sie seine Stimme erkannt, und sie begann, leise und verzweifelt zu wimmern. Nicky verspürte den dringenden Impuls, sie aus dieser demütigenden Situation zu befreien, doch etwas hielt ihn zurück.
    »Du hättest sie vorhin mal sehen sollen! Da hat sie g eschrien und um sich geschlagen wie eine Wildgans mit ihren Flügeln. Aber ich habe sie schließlich doch überzeugen können.«
    Ungläubig blickte Nicky seinen Freund an. Ihm fehlten de rmaßen die Worte, dass ihm der Mund offen stand.
    Conny grinste, und Nicky hätte es ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen. Jetzt erst bemerkte er die Schramme u nter Connys linkem Auge, und allmählich dämmerte es ihm, unter welchen Umständen Stine tatsächlich hierhergekommen war.
    »Überzeugen nennst du das? Wovon überhaupt?«, fragte N icky verständnislos, als er seine Stimme wiederfand. Er ahnte bereits, dass alles noch viel schlimmer war, als er zunächst geglaubt hatte.
    »Dass sie hierbleiben soll«, antwortete Conny, als wäre es das Normalste von der Welt. Sein Gesichtsausdruck erschi enen Nicky plötzlich dermaßen bösartig, dass er es mit der Angst zu tun bekam.
    Nicht Angst um sich, sondern Angst um Stine.
    »Warum ist sie hier?« In seiner Stimme lag Vorwurf, und er griff nach Connys Arm, wie um zu verhindern, dass er sich Stine auch nur einen Meter näherte.
    »Ich hab dir doch eine Überraschung versprochen, N icky!« Conny klang beinahe enttäuscht, dass Nicky sich scheinbar nicht über seine ‚Überraschung‘ freute.
    Nicky spürte, wie seine Beine schwach wurden, und er ging in die Knie. Hätte er sich nicht an Conny festgehalten, wäre er wohl zu Boden gegangen. Doch Conny gab ihm Halt, und er stand wieder auf. Nicky stand unter Schock, vielleicht war es aber auch die Hilflosigkeit, die er im Augenblick verspü rte.
    »Eine Überraschung? Bist du verrückt geworden? Das ist keine Überraschung, das ist ein Mensch!«
    Jetzt entzog sich Conny seinem Griff, und Nicky musste zusehen, wie er alleine stehen blieb, ohne umzufallen. »Es ist eine Möse, Nicky. Nichts weiter. Und

Weitere Kostenlose Bücher