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Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ruhkieck
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abgenommen, die er sich selbst auferlegt hatte.
    Der Lieferant brauchte nicht lange, bis er Thox erkannte. »Du? Ich weiß nicht … ich bringe Pizza. Du hast doch we lche bestellt, oder?«
    Thox spürte das bekannte Gefühl der Zusammengehöri gkeit in sich aufflackern. Und trotz der Umstände - dieser fremde Ort, die späte Uhrzeit und der Stapel Pizzas zwischen ihnen - war es wieder wie damals. Damals, als das Gleichgewicht der Gerechtigkeit noch bestanden hatte.
    »Ja … richtig.« Thox musste sich eingestehen, wie sehr ihn dieses Treffen aus dem Konzept brachte. »Dann … ich wusste nicht, dass du nach Hamburg gegangen bist …«, fuhr er fa ssungslos fort.
    »Alle nennen mich jetzt Jonas«, unterbrach Jonas ihn mi tten im Satz.
    Thox nickte. »Thox.«
    Jonas musterte ihn kurz, als versuche er zu verstehen, dass Thox tatsächlich vor ihm stand. »Ja … ich meine, Hamburg war das Offensichtlichste. Aber wie solltest du das auch wissen?«
    Jonas‘ scharfer Ton irritierte Thox. »Ich weiß, was du meinst. Ging mir gena uso«, zwang er sich zu sagen. Dieses Gespräch fühlte sich nicht richtig an, dachte Thox bitter. Es war doch einmal alles so unkompliziert zwischen ihnen gewesen, doch das war lange her, noch viel länger als das brutale Ende ihrer Freundschaft.
    »Was bekommst du von mir?«, fragte Thox schließlich, als Jonas nichts sagte und um der aufkommenden Stille keinen Raum zu geben.
    Jonas sah ihn fragend an, und Thox deutete auf die Kartons zwischen ihnen. »Die Pizzen?«
    »Richtig … Vierunddreißig fünfzig.«
    Thox griff in die Haushaltskasse, die er aus der Küche mit zur Haustür genommen hatte, und drückte Jonas drei Scheine in die Hand.
    »Du fährst also Pizza aus?«
    Jonas zuckte mit den Achseln und steckte das Geld in seine Tasche, offenbar ohne sich über das Wechselgeld Gedanken zu machen. »Sieht ganz so aus … So eine Ausbildung bringt nicht viel Geld rein, und meine Eltern … na ja, du weißt schon …«
    Thox nickte. »Ja, klar …«, sagte er dann.
    Einst hatten sie sich gekannt, damals, als sie noch ihre alten Namen trugen, doch das war lange vorbei. Die Jahre hatten sie zu Fremden gemacht, und Thox wusste, dass es seine Schuld gewesen war, die er nun bereute.
    Wieder entstand eine Pause, und Jonas wirkte ungeduldig. Doch Thox fiel partout nichts ein, was er zu ihm sagen kon nte, damit er nicht wieder ging.
    »Also dann, ich muss weiter. Vielleicht sieht man sich«, b eendete Jonas schließlich das unangenehme Schweigen, und seine Körpersprache sagte mehr als deutlich, dass er nichts wie weg wollte. Er hatte sich bereits von ihm weggedreht, als wären er und Jonas Magnete, die sich gegenseitig abstießen.
    »Okay«, sagte Thox bitter. Er wollte Jonas nicht aufha lten. Nach allem, was zwischen ihnen geschehen war, konnte er verstehen, dass Jonas nichts mit ihm zu tun haben wollte. Als Jonas dann doch kurz zögerte, erkannte Thox, dass er nicht einmal versucht hatte, ihn aufzuhalten.
    »Jonas?«, rief er ihm impulsiv hinterher, und dieser blieb augenblicklich st ehen. Als hätte er auf dieses Zeichen von ihm gewartet.
    »Thox?« Es war seltsam, ihn seinen neuen Namen sagen zu hören, aber es fühlte sich nicht falsch an. Vielleicht kön nten sie einander eines Tages sogar wieder vertrauen.
    Thox räusperte sich, sein Hals fühlte sich mit einem Mal sel tsam belegt an. »Meinst du, wir könnten uns vielleicht mal wieder zusammensetzen, ein Bier trinken und etwas reden?«
    Jonas Gesicht blieb für Thox verschlüsselt, doch seine Worte waren kühl. »Ich weiß nicht, Thox.«
    Kurzentschlossen trat Thox in den Flur und kramte aus der fremden Kommode ein Stück Papier und einen Stift hervor. Dabei sagte er: »Ich gebe dir meine Telefonnummer, und wenn du bereit bist …«
    »Bereit bin?«, wiederholte Jonas überrascht und zog spiel erisch eine Augenbraue hoch.
    Thox hielt kurz inne und sah Jonas verblüfft an. »Du weißt genau, wovon ich spreche«, sagte er, riss die Ecke des Stücks Papiers ab und hielt sie Jonas entgegen. »Hier ist meine Nummer, mach damit was du willst.«
    Jonas sah auf den Zettel hinab, zögerte einen Augenblick, dann nahm er ihn entgegen, nickte schwach und ging ohne ein weiteres Wort die Treppe hinunter.
    Thox schloss die Tür hinter sich und blieb wie erstarrt st ehen. Er konnte noch gar nicht begreifen, was eben geschehen war. Jonas und er waren lange Zeit die besten Freunde gewesen. Ohne ihn hätte er Phasen seiner Pubertät nicht überstanden. Doch dann

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