Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
hatten sich aus furchtbaren Gründen ihre Wege getrennt, einiges war entsetzlich schiefgelaufen, und ihre Freundschaft war daran zerbrochen. Seit Jahren hatte er nichts mehr von ihm gehört, aber an ihn gedacht hatte er fast jeden Tag. Dass der Zufall sie auf diese unerwartete Weise wieder vereint hatte, konnte nur bedeuten, dass es so sein sollte. Oder? Und Thox würde sich nicht dem Schicksal in den Weg stellen.
Freitag, 22. November
Der Frost war gekommen, genau wie Thox es vorhergesagt hatte.
Jonas hatte sich nicht bei ihm gemeldet. Fünf Tage lang. Als er dann am Donnerstag anrief, um sich mit Thox am nächsten Abend zu treffen, hatte er schon längst nicht mehr damit gerechnet. Doch plötzlich machte Thox sich unglaubliche Sorgen. Mit Sicherheit würden sie über die damaligen Ereignisse sprechen, und das wollte er nicht. Über Jahre hinweg hatte er darum gekämpft, alles hinter sich zu lassen, vielleicht sogar vergessen zu können. Eine erneute Freundschaft mit Jonas aufzubauen barg zwar die Gefahr, alte Wunden aufzureißen, aber war nicht eben der Versuch, dies nicht geschehen zu lassen und ganz neu anzufangen, die tatsächliche Chance? Mit Sicherheit jedenfalls eine Herausforderung.
Jonas und Thox trafen sich am frühen Abend vor der vera bredeten Bar. Ihre Begrüßung war mehr als unterkühlt, und vielleicht war es zu viel verlangt, eine so zerrüttete Freundschaft wiederzubeleben. Möglicherweise war einfach nicht mehr genug übrig, um darauf etwas aufzubauen. Vielleicht hatten sie sich einfach nichts mehr zu sagen.
Zusammen setzten sie sich an die Theke der nur spärlich b esuchten Bar, legten ihre dicken Wintermäntel ab, und während im Hintergrund ein Lied nach dem anderen von den Beatles gespielt wurde, bestellten sich beide ein Bier und blickten sich verunsichert und nach Worten suchend in ihrem erwählten Ort der Zusammenführung um.
»Und, wie ist es dir so ergangen?«, war es schließlich J onas, der das beklemmende Schweigen brach.
Thox nahm einen Schluck von seinem Bier. Es gab so viel, was er ihm erzählen wollte, doch er musste sich zurückha lten. Es war nur eine Frage der Freundlichkeit, keine des Interesses, und er wollte ihn nicht mit den Inhalten seines Lebens bedrängen. »Gut … mir geht es gut. Dieses gottverlassene Kaff zu verlassen war das Beste, was ich tun konnte«, sagte er knapp.
Jonas nickte gedankenschwer. »Ja, ich weiß, wovon du sprichst.« Er machte e ine Pause und sah Thox an.
»Weißt du, wegen damals …«, begann er, doch Thox wol lte ihn nicht aussprechen lassen.
»Bitte lass das heute Abend – und überhaupt – kein Th ema sein«, unterbrach er ihn unwirsch. Jonas sah ihn überrascht an. Bevor er etwas dazu sagen konnte, fuhr Thox erklärend fort: »Es ist lange her. Ich … ich bin nicht mehr derselbe, der ich damals war.«
»Ich doch auch nicht, Mann«, platzte es aus Jonas heraus, als hätte diese Offenbarung bereits seit einer Ewigkeit in se inem Mund darauf gewartet, endlich ausgesprochen zu werden. »Ich dachte nur, es könnte vielleicht zwischen uns stehen. Es wurden damals unschöne Sachen gesagt. Von uns beiden.«
Thox konnte sich sehr wohl an diese ‚unschönen Sachen‘ e rinnern, obwohl er sich eingestehen musste, dass sich in seinem Kopf erschreckende Lücken bezüglich der Ereignisse von damals aufgetan hatten. Es gab Zeiten, die wie im Flug vergangen waren, als wären sie nie ganz wirklich gewesen – besonders in der Zeit danach. Dennoch erinnerte er sich an das Wesentliche. »Ich weiß, aber ich möchte an das alles nicht mehr denken. Ich wollte immer einen neuen Anfang, auch wenn du mir das vielleicht nicht glaubst. Möglicherweise ist das unsere Chance.« Thox fühlte sich seltsam erleichtert, als er endlich ausgesprochen hatte, was ihn bereits seit einigen Tagen nicht mehr losgelassen hatte.
»Ich glaube nicht, dass ich das alles einfach vergessen kann, Thox. Ich weiß, dass es vermutlich das Beste wäre, aber di ese Geschichte hat mein ganzes Leben geprägt.«
Thox konnte ihn verstehen, doch wunderte er sich gleichze itig über Jonas‘ Ansicht. »Es ist lange her. Ich meine, acht Jahre, Jonas«, sagte er schulterzuckend. Natürlich war ihm die ganze Sache nicht gleichgültig, aber wenn er normal weiterleben wollte, dann musste er gewisse Dinge endlich begraben. Er hatte das schon vor einiger Zeit verstanden, doch Jonas offensichtlich nicht.
»Verfolgt es dich denn nicht, Thox? Ich meine Stine, ve rfolgt sie dich
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