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Scherben

Scherben

Titel: Scherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ismet Prcic
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Gruppe und folgte ihr sogar, als sie wieder losmarschierte. Einer der Trommler, ein Amerikaner, machte mir ein Kompliment für mein breites Grinsen. Er meinte, ich könnte Fernsehwerbung machen.
    Als ich wieder zur Wohnung kam, hatten sie Ana bereits vom Bürgersteig gekratzt, sämtliche versprengte Einzelteile eingesammelt, zum Rest ihres Körpers in einen Sack gesteckt und in einem Krankenwagen ohne Sirene weggefahren. Sie hatten den blutigen Schneematsch bereits mit heißem Wasser geschmolzen und die Sauerei weggespült. Die gaffende Mengewar bereits nach Hause geschickt, die sinnlosen Gerüchte waren unterbunden worden. All das war schon erledigt, bevor ich dort ankam und in den Hausflur trat.
    Ich sah nach der Post und fand einen Umschlag mit dem Namen von Anas Schwester darauf, ohne Adresse oder Postanschrift, und stieg verdutzt sechs Stockwerke hinauf bis zu Minas Tür, vor der ein glatzköpfiger Polizist stand, mit der verheulten Frau aus der Wohnung nebenan sprach und sich in einem kleinen Buch Notizen machte.
    Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen stand ich da und hatte noch immer keine Ahnung, was für einen Brief ich in meiner Hand hielt.

… eine Geschichte ist nicht unerlässlich, nur ein Leben, das ist der Fehler, den ich gemacht habe, einer der Fehler, eine Geschichte gewollt zu haben, wo das bloße Leben genügt.
    Samuel Beckett

(… porcus omnivorus …)

    Du weißt, dass du träumst, weil du die Bewegung dieses Turnschuhs schon mal genau so gesehen hast. Was du siehst, ist keine willentliche Bewegung. Eine Kraft wirkt von außen ein. Etwas bewegt den Fuß und damit auch den Turnschuh. Ein Schwein.
    Der Turnschuh ist ein Reebok, weiß und hellblau, einigermaßen sauber, die Schnürsenkel sind ordentlich gebunden. Er wippt ein paarmal auf und ab, federt nach und hält einige Augenblicke bedeutungsschwanger inne, dann folgen ein paar Seitwärtsbewegungen, die eine der Schlaufen schwingen lassen wie eine Henkersschlinge, woraufhin der Turnschuh erneut eine ganze Weile still verharrt, solange das Schwein kaut. Du kannst das Schwein nicht sehen, aber du weißt, dass es kaut, weil du schon mal gesehen hast, wie sich der Turnschuh bewegt und dann nicht mehr bewegt. Du hast es schon so oft gesehen, dass es langweilig geworden ist, wie der eigene Handrücken, der eigene Schwanz. Bosnische Muslime essen keine Schweine, aber Schweine haben kein Problem damit, bosnische Muslime zu fressen. Oder wen auch immer. Sie haben kein Problem damit, totes Fleisch zu fressen. Das ist alles sehr langweilig. Und bevor die Kamera weit genug wegfährt, um den Blick auf das ganze menschliche Bein und das Schwein freizugeben, das an dessen Schenkel schmatzt, mit dem Kauen innehält, dann erneut reinbeißt und die Schnürsenkelschlaufe zum Schwingen bringt, kommst du auf einem Sofa in einem fremden Haus im Valley zu dir.
    Gestern nach der Arbeit erzählten deine Kollegen von einer Party und meinten, du solltest kommen. Du bist mit jemandem mitgefahren, um nicht selbst fahren zu müssen, Jason hatte dir nämlich Speed und Pot gegeben, und du warst aufgedreht und gleichzeitig breit. Sie haben versprochen, dich zu deinem Auto zurückzubringen, aber jetzt bist du immer noch im Valley, es ist Samstag, und du schwitzt irgendjemandes Couch voll.
    Sie hängt durch wie zwei schlappe alte Titten. Die Decke hat ein Zelluliteproblem, und von einem Poster an der Wand zielen ein weißer und ein schwarzer Mann mit Pistolen auf dich, gleich bist du fällig. Auf dem Wohnzimmertisch liegen eine Armada von Fernbedienungen, ein paar Schmuddelhefte, Berge von Pistazienschalen und ein halb mit Erdnuss-M&Ms gefüllter Soldatenhelm. Du schwingst die Füße auf den Teppich und richtest dich auf. Die Luft um dich herum riecht hefig, das liegt an den Bierresten in den Flaschen. Du versuchst dich zu erinnern, wem das Haus gehört, hast aber keine Gesichter vor dir. Es macht dir Angst, dass dir nichts einfällt. Was, wenn die sich auch nicht mehr an dich erinnern? Was, wenn sie die Bullen rufen, sobald sie dich schweißnass auf ihrem Sofa liegen sehen? Du stehst auf, versuchst, keinen Krach zu machen.
    Zur Paranoia kommt hinzu, dass du dich beschissen fühlst. Als hätte jemand einen Schneidbrenner durch deine Eingeweide gezogen. Du bist angefüllt mit nicht linderbarem, unerreichbarem Schmerz, er vibriert indir. Du nimmst dir ein seit Stunden schales Bier, das unter dem Tisch steht, und kippst es runter.
    Von irgendwoher kommt ein kurzes Knacken, eine

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