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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Meine Füße berührten den Boden. Ich war in mich zurückgekehrt.
    »Du ...« sagte Andi leise. »Mit dir habe ich noch eine Rechnung offen.«
    Ehe ich etwas erwidern konnte, hatte er mich an die Wand gedrängt und seine Hand zwischen meine Beine geschoben. Die andere Hand legte er betont sanft um meine Kehle, fast ein Streicheln, doch sein Blick sagte mir, dass er zudrücken würde, sobald ich mich zu wehren versuchte.
    »Du glaubst, dass ich dir das durchgehen lasse? Was hast du dir dabei gedacht, Elisabeth Sturm, hm? Dich bumsen lassen und dann Schluss machen? Das war nicht das letzte Mal, ich schwöre es dir ...«
    Sein Griff wurde fester und er fummelte hektisch, aber mit brutaler Entschlossenheit an dem Reißverschluss meiner Jeans herum. Mir war klar, was er vorhatte. Er wollte mich vergewaltigen. Doch Andi wusste nicht, dass ich Karate machte. Ich hatte Angst, große Angst sogar, war kurz davor, panisch zu werden. Doch mit einem einzigen kräftigen Hochziehen meines Knies und einer geschickten Drehung befreite ich mich aus seiner Umklammerung, stürmte aus dem Saal und rannte den Flur entlang, bis nach vorne ins Foyer, wo meine Kräfte schwanden und ich mich zitternd auf den Tisch neben dem Kopierer schob. Ich musste mich ausruhen. Nur einen Moment. Andi würde eine Weile mit sich selbst zu tun haben, bevor er mir folgen konnte.
    Es befanden sich nicht viele Schüler außer mir im Gebäude - ein paar Fünftklässler, die schon freihatten und in der Ecke Karten spielten, hier und da lief ein Lehrer an mir vorbei, wie immer mit Papieren und Tasche unter dem Arm. Sie beachteten mich nicht.
    Ich lehnte mich an die Wand und schloss die Augen, um zu Atem zu kommen, bis ich die schwere Eingangstür zufallen hörte. Schritte näherten sich, langsam und ausgeruht, aber nicht träge. Nein, sie klangen cool und lässig. Selbstsicher. Schritte eines Königskindes. Und sie steuerten auf mich zu. Direkt auf mich.
    Ich hob meine Lider und fühlte mich wie ein Licht, das endlich entzündet worden war, um alles andere zu überstrahlen. Noch nie hatte ich solch aufrichtige und ehrliche Freude empfunden - Freude ohne Erwartungen, ohne Hintergedanken, ohne Berechnung, ohne heimliche Träume, die um ihre Erfüllung bangten. Mein Lächeln war übermächtig, und als ich zu glauben wagte, dass er auch lächelte und mich meinte, wirklich mich, wollte ich die Zeit anhalten.
    Er sah eine Spur erwachsener aus, gereifter, doch es war unverkennbar Grischa. Seine Augen blitzten mich verschmitzt an. Er stoppte meine Arme, die sich um seinen Hals schließen wollten, mit einer sanften Handbewegung. Seine Ablehnung machte mir nichts aus. Ja, ich hatte ihn umarmen wollen - na und? Halb so schlimm.
    »Entschuldigung«, sagte ich reumütig. »Ich habe mich so gefreut, dich zu sehen. Ich freue mich immer noch.«
    »Ich weiß.« Er steckte seine Hände in die hinteren Hosentaschen. »Aber vergiss nicht, dass ich nicht das in deinem Leben bin, wofür du mich gehalten hast. Wir kennen uns gar nicht.«
    »Natürlich. Klar.« Ich errötete ein wenig. »Aber du meinst mich, oder? Du bist meinetwegen gekommen?« Warum fragte ich das noch? Ich wusste es doch. Und es machte mich so unfassbar glücklich.
    »Ja.« Er nickte. Ich musste meine Hände hinter meinen Rücken schieben, um ihm nicht über die geröteten Wangen zu streichen.
    Ernst blickte er mich an. »Du musst mir helfen, Ellie. Nur du kannst es. Ich habe gehört, dass du -«
    »Ellie. Hey, Ellie. Aufwachen. Du verpennst den ganzen Tag. Hast du nicht noch Training?«
    »Nicht!«, rief ich. »Nicht, lass mich dort, bitte ...«
    Es war zu spät. Ich sah Grischa reden, doch seine Worte verhallten ohne Sinn. Ich konnte sie nicht hören. »Jetzt weiß ich nicht, wobei ich ihm helfen soll! Ich muss ihm helfen!«
    Empört schlug ich die Augen auf. Womit nur hätte ich Grischa helfen können? Ich, Elisabeth Sturm? Ich brannte vor Neugierde, doch stärker als die Neugierde war das helle, glitzernde Glück in meinem Bauch. Ich fühlte mich stark und ausgeruht und wohlig entspannt - ja, ausgeglichen. Meine Schmerzen waren erträglich geworden. Ich setzte mich auf und rekelte mich ausgiebig.
    »Vielleicht ziehst du dir besser was an«, meinte Tillmann und blickte mit höflicher Diskretion auf meine Fußspitzen. Oh ja, das sollte ich tun. Doch im Moment war es mir gleichgültig, dass Tillmann meinen entblößten Oberkörper sah - und zwar von vorne und nicht wie heute Morgen von hinten. Meine Gedanken hingen

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