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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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nach ihr guckte, so vertieft war sie darin.
    Sie ging in ihr Zimmer. Das Referat für Englisch war fertig. Sandra packte es in den Rucksack. Morgen…
    Morgen würde die Aula mit den Fotos tapeziert sein!
    Morgen würden Briefe bei Zeitungsredaktionen ankommen… bei der Polizei… das ist strafbar … Nils hatte es ihr doch gesagt… irgendwie hatte sie das nicht geglaubt… wie konnte Liebe strafbar sein? Wer machte denn solche Gesetze? Warum waren sie nicht vorsichtiger gewesen?
    Morgen würde Nils vor die Lehrerkonferenz zitiert werden.
    Morgen würde man ihn suspendieren.
    Morgen würde die Polizei…
    Sandra ließ sich aufs Bett fallen, rollte sich zusammen und zog die Decke eng um sich.
    Sie konnte nicht… Allein wenn sie sich seine Augen vorstellte, während sie ihm sagte, dass sie ihn nicht … sie liebte ihn doch so!
    Love you so!!! Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt. Für dich würde ich alles tun. Alles.
    Sie konnte ihm das nicht antun.
    Das andere aber auch nicht.
    Ihre Gedanken begannen, sich im Kreis zu drehen. Stunde um Stunde. Vanessa fragte nach Abendessen. Sandra sagte, sie sollte sich selbst was machen.
    Kaum glaubte sie, mit Nils Schluss machen zu müssen, rebellierte alles in ihr. Sie konnte das nicht. Niemals. Sie wollte nicht. Sie liebte ihn. Aber morgen würden sie auffliegen, morgen würde Nils alles verlieren. Sie konnten einfach von München weggehen und Vanessa mitnehmen. Doch die Polizei… man würde ihn einsperren. Und wahrscheinlich würde dann auch die Sache mit Laura auffliegen. Man würde sie und Vanessa trennen und in ein Heim stecken. Sie musste die Forderungen erfüllen… das Karussell im Kopf drehte sich schneller und schneller, bis sie gar nicht mehr wusste, was sie noch denken sollte, bis ihr Kopf sich hohl und prall zugleich anfühlte und sie nach dem MP3-Player griff und die Ohren zustöpselte, als könnte sie so ihre Gedanken stoppen.
    Die tröstende Stimme des Grafen erklang. Das Leben ist mehr, als wir sehen. Schatten, die an uns vorüberziehen. Weinen wir aus Trauer und Schmerz, fühlen wir das Leben tief im Herz. Auf Wiedersehen. Stark wie ein Baum, der in der Sonne steht.
    Sandra wurde ruhiger, wie immer, wenn sie diese Musik hörte.
    Dir bleibt gar nichts anderes übrig.
    Für dich würde ich alles tun. Alles!
    Die Zeit steht still. Die Erinnerung bleibt stehen. Wann werden wir uns wiedersehen?
    Sie liebte ihn so.
    Mehr als alles.
    Es gab nur einen Weg.
    Weil sie ihn liebte.
    Sie schälte sich aus dem Bett und erschrak. Schon zwanzig vor zehn!
    Mit zitternden Fingern wählte sie seine Nummer. Nils meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
    »Können wir uns treffen? Jetzt sofort?« Ihre Stimme klang schrill.
    »Sandra. Was ist denn? Ist etwas passiert?«
    »Nein. Nichts.« Doch. Alles geht kaputt. »Ich muss mit dir reden.«
    »Soll ich zu dir kommen? Ich bin gleich da.« Sie hörte die Unruhe in seiner Stimme.
    »Nein. Können wir uns vorm Einkaufszentrum treffen? Beim Brunnen? In fünf Minuten.« Sie legte einfach auf.
    Vanessa lag in ihrem Bett und schlief tief und fest. Ein paar Minuten konnte Sandra sie alleine lassen.
    Elf Minuten vor zehn erreichte sie den Brunnen, den eine Holzverkleidung vor dem Frost schützte.
    Es gab nichts, das sie schützte.
    Nils war noch nicht da.
    Aber irgendjemand anderer, der ihr gefolgt sein musste.
    Ihm oder ihr.
    Sandra sah sich um. Es waren kaum Leute unterwegs. Ein Pärchen schlenderte über den beleuchteten Platz Richtung U-Bahn-Station. Eine Frau führte ihren Dackel Gassi. Ein Penner saß weiter hinten im Schutz der Arkaden im Halbdunkel an eine Mauer gelehnt. Sie entdeckte niemanden, der ihr verdächtig erschien, geschweige denn bekannt vorkam. Doch es gab genügend dunkle Ecken, um sich zu verbergen.
    Jemand bog im Laufschritt um die Ecke.
    Nils! Ihr Herz machte einen freudigen Satz und wollte beim nächsten Gedanken stehen bleiben.
    Die Zeit steht still. Die Erinnerung bleibt stehen.
    Atemlos blieb er vor ihr stehen, zog sie an sich. Nein. Das ging nicht. Jemand fotografierte… es sah falsch aus… Sie stieß ihn zurück.
    Sie sah den Schreck in seinen Augen. »Sandra, was…«
    »Sorry. Wir müssen das beenden.« War das wirklich ihre Stimme? Hatte sie das wirklich gesagt? Doch. Sie sah, wie er zusammenzuckte, als hätte sie ihn geschlagen. Das hatte sie. Sie spürte seinen Schmerz. Sah, wie er die Lippen zusammenpresste und kaum merklich den Kopf schüttelte. Das ist jetzt nicht wahr, schien er zu sagen.
    Sie

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